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Ein Kunstwerk zieht um: Interview mit Julia Geiger über das „Gerundete Blau“

Ein neuer Ort für das Gasteig-Wahrzeichen auf dem HP8-Gelände: Julia Geiger leitet das Archiv Geiger in München-Solln. Die Enkelin des Architekten Rupprecht Geiger berichtet, warum der Umzug so spektakulär ist und welche Bedeutung das runde Oval für den Künstler hatte.

Außenbereich, tags, Blick vom Dach des Saal X auf den "Platz am Kulturkraftwerk, das "Gerundete Blau" hängt vor der Halle E am Kran.
Rupprecht Geigers Kunstwerk wurde aufwendig an seinen neuen Platz auf dem HP8-Gelände umgebettet. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Sie arbeiten als Kunsthistorikerin und Leiterin des Archiv Geiger ständig mit Werken von Rupprecht Geiger. Haben Sie einen besonderen Bezug zu dem „Gerundeten Blau“ vor dem Gasteig in Haidhausen?

Ich finde, es ist ein Wahrzeichen der Stadt München. Das Gerundete Blau an diesem prominenten Platz vor dem Gasteig führt automatisch dazu, dass es im Öffentlichen Raum deutlich mehr wahrgenommen wird als viele andere Kunstwerke meines Großvaters. Ich wohne in der Innenstadt, war selbst oft bei Konzerten und Veranstaltungen im Gasteig und stelle immer wieder fest, wie sehr das „Gerundete Blau“ dieses Viertel prägt. Und auch wenn wir im Archiv in Solln Führungen geben, erwähnen wir das „Gerundete Blau“ oft – es ist das, was die meisten Leute kennen, weil es im Gedächtnis hängen bleibt. Oft sagen sie: „Ach, die Niveadose, die ist von Rupprecht Geiger?!“

 

„Niveadose“ – ist das ein Kosename?

(lacht) Ich finde die Bezeichnung Kosename sehr treffend. Alle lachen und schmunzeln, wenn man das so sagt. Ich empfinde es nicht als abwertend, gar nicht. Es ist mehr ein Zeichen dafür, dass das „Gerundete Blau“ Teil des Lebens, des Alltags der Münchner ist. Und das ist doch schön!

Außen, nachts, auf einer Ziegelmauer steht ein großes, blaues Kunstwerk. Ein Mann benutzt einen Schweißbrenner, um es vom Sockel zu trennen. Funken sprühen.
2023: Das „Gerundete Blau“ wird vorsichtig von seinem Sockel entfernt., und geht auf die Reise nach Sendling. Copyright: Kathrin Metzner/Gasteig
Das Gerundete Blau von Rupprecht Geiger wird vor dem Haidhauser Gasteig aufgestellt.
1987: Das „Gerundete Blau“ wird am Gasteig in Haidhausen errichtet – überwacht vom Künstler selbst, unten rechts im Bild. Copyright: Archiv Geiger

Welchen Stellenwert hatte dieser Auftrag der Stadt München für Rupprecht Geiger Mitte der 1980er-Jahre?

Er hat im Laufe der Jahrzehnte in München viel Kunst im Öffentlichen Raum geschaffen. Aber der Gasteig war ihm besonders wichtig. Das lag einmal an der Lage: Alle fahren oder gehen irgendwann einmal die Rosenheimer Straße hinauf- oder hinunter. Und alle sehen das „Gerundete Blau“. Es ist nicht zu übersehen. Aber es lag auch am Ort selbst: Alle, die den Gasteig als Kulturzentrum besuchen, werden mit dem Gerundeten Blau konfrontiert. Das war ihm durchaus bewusst.

 

Hat er deshalb dieses Ultramarinblau als Farbe gewählt, um einen Hingucker zu schaffen?

Das Blau ist eigentlich untypisch für ihn, man kennt ihn eher als Magier der Farbe Rot. Hier wollte er aber einen starken Farbkontrast erzielen mit dieser blauen Scheibe vor dem rötlichen Backsteinhintergrund.

Gasteig-Geschäftsführerin Stephanie Jenke (rechts) mit Julia Geiger, Enkelin von Rupprecht Geiger, vor dem Kunstwerk
Die Enkelin des Künstlers Julia Geiger (links) mit Gasteig-Geschäftsführerin Stephanie Jenke vor dem alten neuen Gasteig-Wahrzeichen. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Und dieses Oval, ist auch das ein Kontrast zu dem eher eckig geformten Gasteig-Gebäude?

Auf jeden Fall. Vor allem aber entspricht dieses Oval vollkommen seiner Formensprache. Er hat seine Werke auf archetypische Formen reduziert, um mehr Platz für die Farbe zu schaffen. Der Gegenstand seiner Kunst ist die absolute Farbe, und um die Farbe am besten wiedergeben zu können, wählte er diese geometrischen Formen, die keine Assoziationen hervorrufen. Das ist typisch für sein künstlerisches Schaffen. Außerdem steht die ovale Form im Dialog zur Edelstahl-Stele „Durchdringung“ von Alf Lechner, die sich ja ebenfalls vor dem Gasteig-Gebäude befindet. Geiger und Lechner haben das Zusammenspiel der beiden Plastiken damals gemeinsam konzipiert.

Das Kunstwerk Gerundetes Blau von Rupprecht Geiger wird mit einem Kran auf die Ballustrade vor Saal X gehoben.
Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig
Blick auf das HP8-Gelände mit den beiden Kunstwerken Gerundestes Blau von Rupprecht Geiger und Torkonstruktion von Johannes Leismüller.
Zwei Kunstwerke treten in Dialog: „Torkonstruktion“ von Johannes Leismüller und das „Gerundete Blau“ von Rupprecht Geiger. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Die Stele von Alf Lechner bleibt ja in Haidhausen, weil sie weiter von der geplanten Baustelle entfernt steht als das „Gerundete Blau“.  Aber auch in Sendling steht dann wieder ein Kunstwerk in der Nähe der „Niveadose“: Direkt auf dem Mittleren Ring befindet sich der „Torkonstruktion“ von Johannes Leismüller. Kontrast oder Konkurrenz?

Ich finde, das passt ganz wunderbar: Die „Torkonstruktion“ ist ebenfalls in den 1980er-Jahren entstanden und auch sehr geometrisch geformt. Dadurch entstehen noch einmal neue Perspektiven, neue Blickachsen auf und für beide Kunstwerke.

 

Für das „Gerundete Blau“ ist der Umzug also durchaus ein Gewinn?

Auf jeden Fall. Es ist eine tolle Möglichkeit, das Kunstwerk noch einmal an einem anderen Ort und in einem ganz neuen Kontext zu betrachten. Aber auch der Gasteig HP8 wird profitieren: Wenn man zum Gasteig gegangen ist, dann hatte man immer diese Scheibe als Richtungsgeber, als Orientierungspunkt. Man hat diese Arbeit mit dem Gasteig verknüpft. Und jetzt wird es mit dem Gasteig HP8 und der Isarphilharmonie dasselbe sein: Das „Gerundete Blau“ wird zum Hingucker, der auf den Gasteig HP8 aufmerksam macht, es wird nun mit der Isarphilharmonie verknüpft. Das ist eine Art Reload. Und wer weiß, wie lange der Gasteig HP8 und sein Kunstwerk dort bleiben werden…

Vor dem Treppen-Aufgang zum Gasteig in Haidhausen steht die Edelstahl-Stele des Künstlers Alf Lechner, oben auf dem Celibidacheforum sieht man hinter Bäumen einen Teil des "Gerundeten Blau".
Edelstahl-Stele von Alf Lechner vor dem Gasteig in Haidhausen. Copyright: Gasteig/C. Huebner

Das Gasteig-Wahrzeichen zieht um

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