Als kleines Mädchen verkündete Kharis Petronelle Ikoko ihrer Mutter, dass sie später mal Präsidentin des Kongo werden wolle. Ihre Mutter habe daraufhin gefragt, ob sie sterben wolle, erinnert sie sich. Eine erste harte Konfrontation mit der Realität ihres Geburtslandes, das die Sängerin als Achtjährige mit ihrer Familie verließ, um in Deutschland ein neues Leben aufzubauen.
Nun ist Kokonelle, wie sie sich als Künstlerin nennt, 29 Jahre alt. Um ihre unterschiedlichen Aktivitäten aufzuzählen, braucht sie mehr als eine Hand: Kokonelle ist gelernte Rechtsanwaltsfachangestellte, sie organisierte nach der Ermordung von George Floyd 2020 bundesweit Demos, arbeitet als Bildungsreferentin, Antirassismus-Trainerin und Kuratorin und studiert nebenbei Kommunikationsdesign.
Am wichtigsten ist ihr aber die Musik. Die sei in ihrem Leben immer schon präsent gewesen und Teil ihrer kongolesischen Identität, erzählt die Sängerin: „Musik gehört zu unserer Geschichte und hat einen großen Teil davon mitgetragen.“ In ihren Songs vermischt sie Hip-Hop, RnB, Afropop und Soul und spricht aus ihrer Perspektive als Schwarze Frau über Themen wie Ermächtigung und Selbstbestimmung.
Beim Mental Health Arts Festival im Gasteig HP8 trat die Sängerin auf und gab einen Workshop. Darin setzt sie sich damit auseinander, wie sich koloniale Strukturen in unseren Körpern manifestiert haben: „Ich möchte darüber nachdenken, was jeder von uns jeden Tag am eigenen Körper erlebt. Ich möchte dekonstruieren und analysieren, wie unterschiedlich die Körper von Schwarzen Frauen, weißen Männern oder Menschen gesehen werden, die nicht als deutsch gelesen werden“, sagt Kokonelle. Bestimmte Körper würden abgebildet und andere hätten überhaupt keinen Raum, so die Künstlerin.
„Meine Herkunft treibt mich an“, sagt Kokonelle. „Ich verbinde mit meinem Geburtsland Familie, Community, Freundschaft und einen Ort, an dem ich nicht nach meiner Hautfarbe beurteilt werde.“ Einen Ort, der aber auch mit sehr viel Schmerz verbunden ist: „Alles, was ich mir hier aufbaue, basiert darauf, dass die Menschen im Kongo leiden“, so die Sängerin. 80 Prozent aller Teile aus unseren Alltagsgeräten würden aus dem Kongo geschöpft, so Kokonelle, die ihre Vision und Mission darin sieht, Folgen der Kolonialisierung bewusst zu machen. „Die Ausbeutung des Landes kann ich nicht ignorieren.“
Text: Anna Steinbauer