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Hinter den Kulissen beim Theaterstück „Der Tempelherr“

Direkt hinter der Isarphilharmonie befindet sich das Artemis Schauspielstudio München. Vom Fenster des Studios aus konnten die angehenden Schauspieler*innen den Bau des Gasteig HP8 live beobachten und Ideen für gemeinsame Projekte spinnen. Im September feiert eines davon Premiere: „Der Tempelherr“ setzt die Halle E und ihre Nachbar*innen in Szene.

Das Artemis Ensemble steht auf einem der Balkone der Halle E und wird von oben fotografiert
Copyright: Anna Steinbauer/Gasteig

Als das Artemis Schauspielstudio vom Gasteig eingeladen wurde, ein „Stück aus der Nachbarschaft“ für die Halle E zu inszenieren, stand für den Künstlerischen Leiter Paul Brusa schnell fest: „Der Tempelherr“ ist für diesen Ort wie geschaffen. Der Regisseur wird hier im September 2023 das Stück des österreichischen Schriftstellers Ferdinand Schmalz inszenieren, das seit seiner Uraufführung im Deutschen Theater Berlin (2019) nur selten auf den deutschen Theaterbühnen gespielt wurde. Der ehemaligen Trafohalle kommt mit ihren offenen Galerien und der denkmalgeschützten Bausubstanz dabei eine zentrale Rolle zu.

„Wer diesen öffentlichen Raum als Bühne nutzen möchte, muss Theater anders denken.“

Paul Brusa, Künstlerischer Leiter von Artemis
Mann vor roter Wand
Paul Brusa ist offen für Kooperationen und freut sich über neue Möglichkeiten mit dem Gasteig HP8. Copyright: Andrea Plücke/Gasteig

Auch bei der Artemis-Schauspiel-Crew setzt der lebendige Raum viel Energie frei. „Es ist ziemlich cool, die extremen Höhen hier in der Halle E auszunutzen. Im Theater gibt es selten die Gelegenheit, über Geländer zu spielen und gleichzeitig ein Zentrum des Geschehens zu haben“, sagt Richard Dormann, der in einer Marketingagentur arbeitet und sich bei Artemis berufsbegleitend zum Schauspieler ausbilden lässt. Er spielt im Stück den Protagonisten Heinar.

Handlung spielt kreativ mit der Halle E

„Der Tempelherr“ erzählt die Geschichte von Heinar, der mit seiner schwangeren Frau Petra aufs Land zieht, um dort ein Haus zu bauen. Er verfolgt sein Bauvorhaben beharrlich, stößt dadurch aber bei vielen Menschen auf harsche Kritik. Schließlich hört Heinar auf zu sprechen, das Eigenheim bleibt ein Gerüst, er baut jedoch besessen weiter: Im eigenen Garten errichtet der Protagonist einen griechischen Tempel neben dem anderen und stellt durch sein Tun die Gepflogenheiten der vermeintlich „ländlichen Idylle“ offensichtlich infrage. Die Thematik des Stückes könne den Nerv der Gesellschaft, gerade in einer Metropole wie München, nicht besser treffen, findet Brusa.

„Wir spielen das Stück hier an einem Ort, an dem sich Gesellschaft schon verändert hat. Die Isarphilharmonie wurde an die historische Halle E gebaut, durch den Gasteig begegnen sich Kultur und Handwerk. Das HP8 hat sich in ein völlig neues Areal verwandelt.“

Paul Brusa über die Aktualität von „Der Tempelherr“
Ein Schauspieler in Latzhose liegt auf dem Boden der Halle E, weitere Darsteller schauen über die Geländer von mehreren Ebenen der Halle E.
Theaterprobe bei laufendem Betrieb in der Halle E: Richard Dormann liegt als Heinar auf dem Boden. Copyright: Maria Zimmerer / Gasteig

Zaungäste sind willkommen

An drei Abenden wird das gesellschaftliche „Erbauungsstück“, so der vom Autor Ferdinand Schmalz hinzugefügte Untertitel, von Nachbar*innen des Gasteig HP8 neu „erschaffen“. Jeweils 120 Zuschauer*innen pro Vorstellung werden im Foyer im Erdgeschoss platziert. Während der Aufführungen, die zu Sonnenuntergang um 20 Uhr beginnen, läuft der reguläre Bibliotheksbetrieb im HP8 weiter. In der Inszenierung von Paul Brusa gehören neugierige Städter*innen zur Theaterkulisse und sind als „Zaungäste“ bereits mitgedacht.

 

Kreativ und flexibel entstehen im Foyer neue Räume: Für die Tempelbauten in der Halle E spannt Protagonist Heinar weißes Kreppband kreuz und quer. Denn Brusa wollte kein festes Bühnenbild in die Halle integrieren, sondern den Raum selbst wirken lassen. Wie Hauptdarsteller Richard Dormann haben auch die anderen fünf Schauspieler*innen begleitend zu ihrem Beruf eine Schauspielausbildung bei Artemis absolviert oder stecken noch in den letzten Zügen. So schöpfen Rechtsanwältin, Redakteur*in oder Maschinenbauingenieur aus den beruflichen Erfahrungen wie aus einem Fundus fürs Theaterspiel. Für den Gasteig bringt Brusa zum ersten Mal Schauspieler*innen verschiedener Artemis-Jahrgänge zusammen.

Ensemble als Schicksalsgemeinschaft

Die Offenheit der Halle E stellt für das kleine Ensemble eine Herausforderung dar, der sie „als Schicksalsgemeinschaft jetzt erst recht“ begegnen. Über mehrere Stockwerke den Kontakt zueinander zu halten, erfordert konzentrierte Energie, zumal im „Tempelherr“ viel über Blicke und Sprache passiert. „Es ist ein bisschen so, als würde man antike Griechen mit Elfriede Jelinek in einen Mixer packen“, beschreibt Brusa den Sprachstil des Stücks. Was die Musik-Auswahl angeht, hat er sich von der Isarphilharmonie inspirieren lassen. Neben Einspielungen von Moby wird auch Max Richters Bearbeitung von Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ als Bau-Sound erklingen.

 

„Der Gasteig hat ein so heterogenes Publikum. Wir wollen versuchen, die Musikbegeisterten ins Theater zu locken und eine neue Zwischenwelt erschaffen. Dieses Experiment erfordert Mut, aber wir trauen uns und sind gespannt, ob‘s klappt!“

Paul Brusa von Artemis ist gespannt auf diese besondere Theaterpremiere in der Halle E.
Die Schauspieler*innen laufen aus der Halle E
Copyright: Maria Zimmerer / Gasteig

„Der Tempelherr“ feiert Premiere im Gasteig HP8

Am 19., 25. und 26. 9. setzt das Artemis Schauspielstudio die Halle E in Szene.

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