„Mal sehen, was passiert. Bei Helge weiß man ja nie“, heißt es schon beim Einlass. In ähnlichen Tönen informiert der Ankündigungstext über die bevorstehende Tour des Kabarettisten und Musikers: „Wenn es eine Kunst gibt, die Helge Schneider wie kein anderer beherrscht, dann ist es das Nicht-Erfüllen von Erwartungen.“ Die Felder, in denen sich der kultisch verehrte Unterhaltungskünstler tummelt, sind zu viele, um sie in gut leserlicher Schriftgröße auf einer Visitenkarte unterzubringen. Komiker ist er, na klar, aber auch Filmschaffender, Schriftsteller, Schauspieler und Multiinstrumentalist.
Mit der Bühnenshow „Der letzte Torero: Big L.A. Show“, gastiert er in der Isarphilharmonie. Also reihe ich mich beim Pressetermin in die Traube aus Journalist* innen ein, die sich sofort in ein ehrfurchtsvolles Publikum verwandelt, als Helge Schneider im Night Club des Bayerischen Hofs erscheint. „Ein Unikat.“ „Einzigartig.“ „Nicht kopierbar“, raunt es unter den Journalist*innen und Presseleuten.
Auf der Bühne hinter ihm türmen sich verschiedene Instrumente. Zum Programm, so viel sei vorweggenommen, wird wenig Konkretes preisgegeben. Der Titel „Der letzte Torero“ sei eine Metapher für alte Zeiten, Vergessenes, Tradition, verrät Schneider. Tänzer und Saxophonist Sergeij Gleitman wird die Aufführung durch „misanthropischen Tanz“ begleiten und Sandro Giampietro wird an der Gitarre mit von der Partie sein – im Gegensatz zu Sohn Charlie, wie der Künstler erzählt: „Der will ja Basketballer werden, der ist zu Hause und macht jeden Tag Vergrößerungsübungen.“ Schon diese kurze Auskunft zeigt, woraus Helge Schneiders Kunst ihren Reiz zieht: „Meine Arbeit ist auch Lüge. Ich erzähle Geschichten, die nicht stimmen, die aber stimmen könnten, das ist das Wichtige daran.“
Selbst bei der banalen Frage, was Helge denn privat für Musik höre, nennt er Milli Vanilli (an dieser Stelle der versehentliche Tusch eines Fotografen, der ans Schlagzeug stößt) neben Lieblingsplatten der holländischen Prog- Rock-Formation Ekseption. Die Assoziation im Moment, das Improvisieren nicht nur in der Musik, erzeugen einen wunderbaren Spannungszustand, in dem man nicht weiß, was als nächstes geschieht – und der sich oft in Gelächter entlädt. Helge Schneider kennt in solchen Terminen wahrscheinlich alles: Fragen, die auf brauchbare Zitate zielen („Du fängst traditionell deine Tournee in München an, oder?“), Fragen als Vorlagen zu Pointen, Fragen, die die eigene Vertrautheit mit Helges Werk beweisen („Ich finde dein Saxofon-Spiel ja so unique, wirst du das auch auf dieser Tournee spielen?“).
Die Frage zur Isarphilharmonie, deren Antwort ich als Abgesandter der Gasteig-Redaktion mitnehmen möchte, stellt jemand anderes. Als Helge Schneider gebeten wird, mit seinem Papp-Abbild im Torero-Outfit zu posieren, erfüllt er den Wunsch widerwillig. „Freude!“, fordern die Fotografen, „Noch mal kurz zu mir!“, „Noch mal hier rüber“, „Freude! Ja!“. Dann setzt er sich erleichtert ans Klavier, spielt eine jazzige Improvisation, mit einem Mal versunken, fast einsam. Erwartungen lustvoll zu brechen, kann ja schnell selbst wieder zur Erwartungserfüllung werden. Aber selbst, wenn man nicht ahnt, was passiert: Bei Helge ist immer mehr da als der reine Klamauk. Und darin liegt der Zauber.
Live und in Farbe
Helge Schneider in der IsarphilharmonieText: Benedikt Feiten