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Einmal Holz und sechsmal Blech: Federspiel beim Alpenrausch Festival

Mit ungewöhnlicher Besetzung macht sich das österreichische Bläserensemble Federspiel auf musikalische Forschungsreise: immer verbunden mit dem Alpenraum, aber längst schon über dessen Bergspitzen hinaus. Ein Gespräch mit dem Klarinettisten Frédéric Alvarado-Dupuy – über einen Dude als Mentor, Patrouillen der Volksmusik-Polizei und die richtige Dosis Thymian

Ein siebenköpfiges Bläserensemble mit Blechblasinstrumenten
Copyright: Maria Frodl

Tuba, Bassposaune, Posaune, Flügelhörner, Trompeten – und eine Klarinette: Bei Federspiel steht das einzige Holzblasinstrument geballter Brasswucht entgegen. Doch wer erwartet, dass es brachial zur Sache geht, wird von einer sorgsam austarierten Klangsprache überrascht. „Ich zwinge die Kollegen natürlich weitaus leiser zu spielen und Rücksicht zu nehmen“, sagt Klarinettist Frédéric Alvarado-Dupuy und lacht: „Wenn man so will, ist unser Ensemble so gesehen auch ein politisches Projekt, ein integratives. Aber im besten Fall kommen die Stärken von allen raus.“

 

Dass das gelingt, ist der Lohn langen Zusammenspiels. Federspiel mag aus jungen Musikern bestehen, ist als Ensemble jedoch alles andere als jung: Nächstes Jahr feiert es sein zwanzigjähriges Bestehen mit einem Jubiläumsprogramm. „Das war ein jugendliches, leichtsinniges Projekt“, erinnert sich der erfolgreich integrierte Alvarado-Dupuy, „das sich dann immer mehr zu einem professionellen entwickelt hat.“ Schon als Teenager fanden sie zusammen, begannen später zeitgleich Musik zu studieren und gerieten in Rudi Pietsch an einen Mentor, der sie früh ermutigte, über den Tellerrand der üblichen Blasmusik zu schauen: Einerseits interpretierten sie Musik aus dem alpenländischen Repertoire, die ursprünglich für Geige oder Flöte geschrieben wurde. Andererseits unternahmen sie Ausflüge in Musikstile aus dem Balkan, Ungarn oder der Slowakei. Wie groß der Einfluss des mittlerweile verstorbenen Musikers und Musikwissenschaftlers Pietsch auf den eigenen Weg war, wurde den Musikern erst im Nachhinein richtig klar, so Alvarado-Dupuy. Habe man sich anfangs noch gefragt, „Wer ist dieser Dude? Was will der von uns?“, wisse man inzwischen um die ansteckende Energie und die eigene Handschrift, die ihm die Gruppe zu verdanken habe.

„Im besten Fall kommen die Stärken von allen raus.“

Ein siebenköpfiges Bläserensemble mit Blechblasinstrumenten vor dem Gesicht.
Copyright: Maria Frodl

Die Musik von Federspiel zeigt, über welche enormen Möglichkeiten ein Kollektiv verfügt, das über einen so langen Zeitraum am gemeinsamen Klang gefeilt hat. Spannungsvoll bewegen sich ihre Stimmen, erzeugen Reibungen und lösen sie auf, verschieben sich fein und klinken sachte wieder ein. Man fühlt die Zuversicht in sattem, tiefen Wabern wie von Synthesizern oder schwebt in fragiler Luftigkeit. Und es gibt auch Momente, in denen sie triumphal das ganz weite Panorama öffnen. Mal ganz nah, mal enthoben, doch nie auf schiere Überwältigung aus. Auch die komplexesten Strukturen dieser ausgetüftelten Musik beginnen beim Grundsätzlichsten: dem Sound. Luft, die das Bläserensemble naturgemäß benötigt, wird in Flüstern und Atmen ebenso Teil der Arrangements wie mehrstimmiger Gesang.

 

Doch auch wenn sich in bald zwanzig Jahren Federspiel vieles geändert hat, eines bleibt: Die Programme haben immer einen Anteil an traditioneller, überlieferter Musik. Auch in den großen Konzerthäusern hört das Publikum urige Jodler oder Tänze aus dem Salzkammergut. Etwas Rudimentäres, etwas Ursprüngliches habe die Beschäftigung mit Volksmusik, sagt Alvarado-Dupuy, selbst eine simple 1-5-1 Kadenz könne wahnsinnige Kraft entwickeln. Und doch sei die Musik nur scheinbar einfach. Ein unkompliziert klingender Rhythmus könne im Micro-Timing viel abverlangen. „Wir nehmen die Volksmusik und die alpenländische Musik, das ganze Alpenland in seiner Ehrlichkeit, in seiner Einfachheit im besten Sinne, genauso wichtig wie die klassische oder zeitgenössische Musik oder den Jazz“.

„Wir nehmen die alpenländische Musik, das ganze Alpenland in seiner Ehrlichkeit, genauso wichtig wie die klassische oder zeitgenössische Musik oder den Jazz.“

Musiker wärmen sich mit Dehnübungen auf
Copyright: Theresa Pewal

Da Volksmusik für Feste, das Wirtshaus oder andere Zwecke entsteht, wird sie oft als Gebrauchsmusik bezeichnet. Federspiel versetzen diese nicht konzertante Musik in den Konzertsaal. Darüber, ob das eine gute Idee ist, ob Volksmusik also ins Konzert gehört, ist sich die Szene erstaunlicherweise uneins. Auch darüber, zu welchem Grade die Musik weiterentwickelt werden sollte. Gegenüber Streifgängen der konservatorischen Volksmusik-Polizei gibt sich Alvarado-Dupuy entspannt: „Es ist eine interessante Debatte und die führe ich gerne. Ein Haubenkoch zum Beispiel wird auch sicher sagen: es gibt Rezepte meiner Großmutter, die ich unverändert zubereiten kann und es gibt andere, da ist etwas Thymian gut. Aber das ist immer eine Frage von Maß und Ziel und letztlich auch von Geschmack. Das ist ja vielleicht auch das, was gute Künstler*innen ausmacht, dass sie geschmackvoll zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige verändern, um damit irgendwie ihr Publikum zu begeistern.“

So lässt sich das ganze Programm des Alpenrausch Festivals überschreiben: Immer geprägt von hoher Wertschätzung der Tradition und großer musikalischer Offenheit und Spielfreude. Ob das Duo Attwenger Mundartmusik mit Punk, Hip-Hop, Blues und elektronischen Sounds verbindet, ob sich Albin Brun und Kristina Brunner mit Schwyzerörgeli, Sopransax und Cello auf klangliche Tiefenforschung begeben oder ob Jakob Steinkellner volkstümliche Instrumentalmusik mit modernen Einflüssen durchwebt. In einem wahren Alpenrausch verlieren Grenzen eben an Bedeutung. Am 29.7. können Sie sich von diesen aufregenden, frischen Stilen in der zeitgenössischen Volksmusik anstecken lassen.

ALPENRAUSCH FESTIVAL

Die Neue Volksmusik gibt am 29. Juli im Gasteig HP8 wieder den Ton an. Konzerte, Workshops und Filme sorgen beim Alpenrausch Festival für alpines Feeling mitten in München. Alles bei freiem Eintritt!

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