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Neuer Chefdirigent des BRSO: Sir Simon Rattle im Interview

Mit Beginn der Saison 2023/24 ist Sir Simon Rattle neuer Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO). Der gebürtige Liverpooler ist bekannt für seine Vorliebe für zeitgenössische Musik und sein großes soziales und pädagogisches Engagement. Im Interview erzählt er, warum Kultur die Welt zu einem besseren Ort macht.

Porträt des Dirigenten Sir Simon Rattle
Copyright: Castrid Ackermann

Herr Rattle, Sie waren schon als Teenager Fan des BRSO, nun findet eins Ihrer ersten Konzertprogramme als dessen Chefdirigent in der Isarphilharmonie statt. Was sehen Sie als Ihre wichtigste Aufgabe?

Es ist sehr bemerkenswert: Zum einen spüre ich in diesem Orchester noch immer den Geist von Rafael Kubelík, der das BRSO von 1961 bis 1979 leitete. So ist es für mich wie ein wahr gewordener Jugendtraum und eine Ehre, das BRSO als Chefdirigent zu leiten. Auf der anderen Seite fühle ich eine solch herzliche Verbundenheit mit den Orchestermitgliedern, es ist wie eine Familie, wie nach Hause kommen. Diesen Freund*innen mit all ihrer Tradition und Geschichte bin ich nun verpflichtet und übernehme eine große Verantwortung. Ich will die Traditionen beibehalten, die Qualität und das Repertoire weiterentwickeln und neue Ideen kreieren. Sowohl musikalisch als auch darüber hinaus. Und so wie ich dem Orchester gegenüber verpflichtet bin, sind wir gemeinsam dem Publikum gegenüber verpflichtet. Eine meiner Aufgaben ist, dies zu koordinieren und erlebbar zu machen.

 

Sie haben mal gesagt, dass ein Orchester mehr ein Piratenschiff sein soll als ein Ozeandampfer. Was gibt es in München zu kapern?
Jedes Orchester dieser Welt stellt Erwartungen und Anforderungen an seinen Chefdirigenten, seine Chefdirigentin. Es ist überall eine Herausforderung, das große Talent in diesen Klangkörpern zu entdecken und zu fördern. Und nach allen Kräften in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. Wir wollen nicht wie ein Ozeandampfer gemütlich vor uns hin durch die ruhige See tuckern und nur die schönen Landschaften abklappern. Wir wollen bewegen, aufwühlen, in Tiefen eintauchen, Höhenflüge erleben, Neues entdecken und das Publikum auf diese Reisen mitnehmen. Das kann und soll auch mal turbulent werden. In diesem Zusammenhang bedeutet „Piratenschiff“ ständige Flexibilität und schnelle Reaktion auf jede neue Situation oder Gelegenheit. Nichts Illegales, ich verspreche es!

Portraitaufnahme von Sir Simon Rattle, während er dirigiert.
Copyright: Astrid Ackermann

„Akustisch ist die Isarphilharmonie der beste Interimsraum, den ich kenne. Wir sind dankbar, dass wir den Saal bespielen und große Orchesterwerke überhaupt in dieser Stadt aufgeführt werden können.“

Sir Simon Rattle

Mit ihren Education-Projekten begeistern Sie junge Menschen für Musik. Warum ist Ihnen die Kulturvermittlung so wichtig?
Kultur ist schon immer ein Teil des Menschen und seiner Entwicklung. Jede Gemeinschaft wird durch ihre Kultur geprägt. Ohne Kultur entwickelt sich eine Gesellschaft nicht weiter. Deshalb ist es klar und notwendig, dass wir Kulturschaffende unser Wissen und unsere Fähigkeiten weitergeben wollen. Noch bevor Kinder lesen und schreiben lernen, singen sie und bewegen sich zu Musik, ganz intuitiv. Das ist ein Teil ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Und somit dient es schließlich der Gesellschaftsentwicklung. Ich bin davon überzeugt, dass Kultur in jeglicher Form die Welt zu einem besseren Ort macht.

Das BRSO in der Isarphilharmonie

Text: