Geschichten von Flucht haben das Leben von Adrian Pourviseh geprägt. Porvisehs Großmutter musste aus Ostpreußen fliehen, sein Vater kam als politischer Flüchtling aus dem Iran nach Deutschland, er selbst arbeitete als Crew-Mitglied auf der Sea-Watch 3. Über seinen Einsatz als Seenotretter auf dem Mittelmeer liefert der 1995 in Koblenz geborene Comiczeichner in seiner Graphic Novel „Das Schimmern der See“ (Avant Verlag) einen aufrüttelnden Augenzeugenbericht.
„Mit meiner Graphic Novel wollte ich diesem System der Gewalt etwas entgegensetzen, indem ich zeige, wie wir mit zivilen Rettungsaktionen einen Widerstand gegen diese Politik des Sterbenlassens leisten. ‚Das Schimmern der Seeʼ ist gewissermaßen ein Erklärbuch. Wir haben die tödlichste Grenze der Welt kreiert und betreuen sie weiter. Auch die Art der Berichterstattung über die Seenotrettung mit Fotos von beschädigten, nicht-weißen Körpern entmenschlicht, was erzählt wird. Bei einer Fotografie macht das Herz schnell zu, das gemalte Bild hingegen ermöglicht es, der Geschichte zu folgen und uns emotional zu öffnen.
Für mich ist Freiheit ein unglaublich hohes Gut, gleichzeitig bin ich aber auch um die Freiheit in Deutschland besorgt, da die Bedrohung von rechts hier von Jahr zu Jahr realer wird.“
Filimon Mebrhatom erzählt in seinem Buch „Ich will doch nur frei sein“ (Beltz Verlag) von seiner einjährigen Flucht über das Mittelmeer aus Eritrea. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Weil er nicht möchte, dass noch mehr Menschen auf dem Mittelmeer sterben wie zahlreiche seiner Freund*innen engagiert er sich politisch für sichere Fluchtrouten.
„Die Fluchterfahrung kann ich niemals vergessen: kriminelle Schlepper, schreckliche Gefängnisse, immer Angst, weil man schlechter behandelt wird als Tiere. Am Anfang war das Leben in Deutschland sehr schwer für mich. Ich habe viele Freund*innen und Familienmitglieder verloren, weil sie die Flucht nicht überlebt haben. 2015 habe ich mir ein Tagebuch gekauft und angefangen, meine Fluchterlebnisse aufzuschreiben. Das waren oft bis zu 30 Seiten pro Tag und die Tränen flossen ohne Ende aus mir heraus. Ich wollte versuchen zu erklären, wie schrecklich die Flucht ist und wie schwer es ist, in Eritrea zu leben.
Es wäre toll, wenn die Menschen bei der Einbürgerung und im Bundesamt die Menschen hinter den Unterlagen sehen, sie respektieren und etwas Rücksicht nehmen. Solange die Fluchtrouten nicht sicher sind und viele Menschen unter schwierigen Bedingungen unterwegs sind, kämpfe ich weiter für sie. Leute aus Deutschland oder anderen Länder, die unsere Gefühle und Schmerzen erkennen und uns unterstützen, geben mir Kraft und Zuversicht.
Freiheit ist für mich, wenn das Sterben endet, und die Menschen, die aus anderen Ländern kommen, akzeptiert und gleichbehandelt werden. Bis dahin muss man kämpfen.“
„Das Schimmern der See“/„Ich will doch nur frei sein“
Lesung am 20.3. mit Adrian Pourviseh und Filimon MebrhatomText: Anna Steinbauer