Zum Hauptinhalt springen

Flucht und Freiheit

Der eine war als Seenotretter im Einsatz, der andere flüchtete aus Eritrea übers Mittelmeer: Adrian Porviseh und Filimon Mebrhatom haben beide Bücher über ihre Erlebnisse verfasst, die sie im Gasteig HP8 präsentieren. Sie legen Zeugnis darüber ab, welchen Stellenwert Flucht in ihrem Leben einnimmt und was beim Thema Migration in Deutschland schiefläuft.

Adrian Pourviseh steht auf einem Schiff und trägt ein See-Watch-Shirt.
Adrian Pourviseh auf der Sea-Watch Copyright: Sea Watch

Geschichten von Flucht haben das Leben von Adrian Pourviseh geprägt. Porvisehs Großmutter musste aus Ostpreußen fliehen, sein Vater kam als politischer Flüchtling aus dem Iran nach Deutschland, er selbst arbeitete als Crew-Mitglied auf der Sea-Watch 3. Über seinen Einsatz als Seenotretter auf dem Mittelmeer liefert der 1995 in Koblenz geborene Comiczeichner in seiner Graphic Novel „Das Schimmern der See“ (Avant Verlag) einen aufrüttelnden Augenzeugenbericht.

„Migration ist ein Thema, über das wir hier in Europa viel sprechen, aber wenig wissen. Dass das viel mit Gewalt an den Außengrenzen zu tun hat und es eine Systematik des Sterbenlassens auf dem Mittelmeer gibt, ist wenigen klar.“

„Mit meiner Graphic Novel wollte ich diesem System der Gewalt etwas entgegensetzen, indem ich zeige, wie wir mit zivilen Rettungsaktionen einen Widerstand gegen diese Politik des Sterbenlassens leisten. ‚Das Schimmern der Seeʼ ist gewissermaßen ein Erklärbuch. Wir haben die tödlichste Grenze der Welt kreiert und betreuen sie weiter. Auch die Art der Berichterstattung über die Seenotrettung mit Fotos von beschädigten, nicht-weißen Körpern entmenschlicht, was erzählt wird. Bei einer Fotografie macht das Herz schnell zu, das gemalte Bild hingegen ermöglicht es, der Geschichte zu folgen und uns emotional zu öffnen.

 

Für mich ist Freiheit ein unglaublich hohes Gut, gleichzeitig bin ich aber auch um die Freiheit in Deutschland besorgt, da die Bedrohung von rechts hier von Jahr zu Jahr realer wird.“

FIlimon Mebrhatom trägt eine türkise Winterjacke und leht an einer Hauswand.
Filimon Mebrhatom Copyright: Filimon Mebrhatom
Ein junger Mann steht an Deck eines Schiffes und hält ein Buch in die Kamera.
Adrian Porviseh Copyright: Sea Watch

Filimon Mebrhatom erzählt in seinem Buch „Ich will doch nur frei sein“ (Beltz Verlag) von seiner einjährigen Flucht über das Mittelmeer aus Eritrea. Seit 2015 lebt er in Deutschland. Weil er nicht möchte, dass noch mehr Menschen auf dem Mittelmeer sterben wie zahlreiche seiner Freund*innen engagiert er sich politisch für sichere Fluchtrouten.

„Keiner durchquert zum Spaß die Wüste oder das Mittelmeer.“

„Die Fluchterfahrung kann ich niemals vergessen: kriminelle Schlepper, schreckliche Gefängnisse, immer Angst, weil man schlechter behandelt wird als Tiere. Am Anfang war das Leben in Deutschland sehr schwer für mich. Ich habe viele Freund*innen und Familienmitglieder verloren, weil sie die Flucht nicht überlebt haben. 2015 habe ich mir ein Tagebuch gekauft und angefangen, meine Fluchterlebnisse aufzuschreiben. Das waren oft bis zu 30 Seiten pro Tag und die Tränen flossen ohne Ende aus mir heraus. Ich wollte versuchen zu erklären, wie schrecklich die Flucht ist und wie schwer es ist, in Eritrea zu leben.

 

Es wäre toll, wenn die Menschen bei der Einbürgerung und im Bundesamt die Menschen hinter den Unterlagen sehen, sie respektieren und etwas Rücksicht nehmen. Solange die Fluchtrouten nicht sicher sind und viele Menschen unter schwierigen Bedingungen unterwegs sind, kämpfe ich weiter für sie. Leute aus Deutschland oder anderen Länder, die unsere Gefühle und Schmerzen erkennen und uns unterstützen, geben mir Kraft und Zuversicht.

 

Freiheit ist für mich, wenn das Sterben endet, und die Menschen, die aus anderen Ländern kommen, akzeptiert und gleichbehandelt werden. Bis dahin muss man kämpfen.“

„Das Schimmern der See“/„Ich will doch nur frei sein“

Lesung am 20.3. mit Adrian Pourviseh und Filimon Mebrhatom

Text: