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Der größte Romantiker: Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon sprechen über Brahms

Die Münchner Philharmoniker widmen dem Komponisten Johannes Brahms im Januar einen Konzert-Zyklus und führen unter der Leitung von Zubin Mehta alle seine Symphonien mit Starbesetzung auf. Warum jede davon ein Meisterwerk ist und man sich als Musiker*in manchmal wie ein Adler vorkommt, erzählen die Geigerin Lisa Batiashvili und der Cellist Gautier Capuçon.

Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon nehmen Hand in Hand den Applaus des Isarphilharmonie-Publikums entgegen.
Copyright: Tobias Hase

Was war Ihre erste Begegnung mit Brahms, und wie haben Sie ihn für sich entdeckt?

 

Lisa Batiashvili: Ich kann mich an den Moment erinnern, als ich zum ersten Mal die 4. Symphonie live gehört habe, ich war elf Jahre alt. Ich kannte Brahms schon vorher, aber in diesem Moment konnten mein Ohr und meine Seele diese Musik mit ihren großen emotionalen und komplexen Klängen aufnehmen. Es war, als ob sich eine neue Welt der Romantik für mich aufgetan hätte.

 

Gautier Capuçon: Brahms’ Musik ist für mich auch untrennbar mit meiner Kindheit verbunden. Mit viereinhalb Jahren begann ich, Cello zu spielen, und die Klaviertrios von Brahms gehörten zu den ersten Stücken, die ich hörte. Der Sound ist für mich sehr wohltuend, er geht tief unter die Haut. Ich fühle Brahms sehr stark mit den Fingern. Wenn ich Cello spiele, versuche ich, diesem Klang in mir möglichst nahezukommen.

 

 

„Für mich bleibt Brahms mit seiner Menschlichkeit und Tiefe immer noch der größte Romantiker.“

Lisa Batiashvili

Was bedeutet es für Sie, Brahms zu spielen, und haben Sie ein Lieblingswerk?

 

Capuçon: Zuerst entdeckte ich die Pianotrios, die Brahms-Symphonien etwas später. Die beiden Cello-Sonaten sind auch toll. Als ich das erste Mal das Klaviertrio mit Isaac Stern an der Geige, Leonard Rose am Cello und Eugene Istomin am Klavier hörte, war ich begeistert.

 

Batiashvili: Zu meinen Lieblingswerken gehören alle symphonischen Werke von Brahms, aber auch seine Kammermusik wie die Streichsextette und -quintette. Brahms zu hören ist ein sehr ergreifendes Erlebnis, diese Musik aber zu spielen ist mit einer gewissen inneren Anspannung und einem langen Atem verbunden. Manchmal kommt man sich vor wie ein Adler, der einen sehr weiten Blick hat. Das richtige Tempo bei Brahms zu finden zählt meiner Meinung nach zu den größeren Herausforderungen, denn es kann schnell zu schwer klingen. Gleichzeitig passiert so vieles zwischen den Zeilen und sogar zwischen den Tönen. Die Magie dieser Musik kommt erst dann heraus, wenn man Zeit hat, Details auszukosten, aber auch die Leichtigkeit in den richtigen Momenten nicht verliert.

Lisa Batiashvili, Dirigent Zubin Mehta und Gautier Capuçon verneigen sich Hand in Hand vor dem Publikum.
Lisa Batiashvili, Dirigent Zubin Mehta und Gautier Capuçon verneigen sich Hand in Hand vor dem Publikum. Copyright: Tobias Hase
Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon spielen beim Brahms-Zyklus mit den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Zubin Mehta.
Lisa Batiashvili und Gautier Capuçon beim Konzert in der Isarphilharmonie Copyright: Tobias Hase

Brahms sagte über das Doppelkonzert, dass die Solist*innen zu einer „achtsaitigen Riesengeige“ verschmelzen sollen. Wie funktioniert das, und wie bereitet man sich darauf vor?

 

Batiashvili: Es ist ein Spiel zwischen Symphonie, Solokonzert und Kammermusik und deshalb auch sehr heikel. Man hat manchmal nicht die Möglichkeit, selbst etwas zu Ende zu sagen, das macht dann entweder der oder die andere Solist*in oder das Orchester. Da die Schreibweise aber sehr symphonisch ist, sind die beiden Solist*innen wie ein kleines Ensemble für sich und gleichzeitig zwei selbstständige Stimmen.

 

Capuçon: Warum eigentlich unbedingt eine Riesengeige? (lacht) Wie Lisa sagt, sollten Geige und Cello idealerweise keinen Wettkampf gegeneinander antreten, sondern zu einem Sound verschmelzen. Das ist die Komplexität des Stückes: Man muss den richtigen Counterpart dafür finden, und ich freue mich sehr darauf, das Konzert mit Lisa zu spielen, sie ist eine gute Freundin seit mehr als 20 Jahren. Sie ist eine Musikerin und Geigerin, die ich sehr bewundere und mit der ich gerne in einen musikalischen Dialog eintrete. Wenn man mit diesen Ingredienzen Musik macht, ist das pure Magie.

„Seit meiner Kindheit begleitet mich Brahms’ Musik.“

Gautier Capuçon

Alle Brahms-Symphonien werden im Januar in der Isarphilharmonie aufgeführt. Warum sollte man am besten alle anhören?

 

Batiashvili: Weil jede einzelne Symphonie ein großes Meisterwerk ist. Gleich der Anfangs-Paukenschlag der ersten Symphonie zeigt uns diese unglaublich lange und intensive musikalische Linie, die sich eigentlich durch alle Symphonien hin erstreckt. Ich bin sicher, die Hörer*innen werden sich nicht entscheiden können, welche der vier Symphonien die schönste oder vollkommenste ist. Alle vier sind so voll von tiefen menschlichen Gefühlen und wunderschönen Themen, die noch lange nach dem Hören bei uns bleiben.

 

Capuçon: Für das Orchester und für das Publikum ist es eine fantastische Gelegenheit, sich auf eine musikalische Reise durch Brahms’ Werk zu begeben und seine Entwicklung zu verfolgen. Alles, was wir erleben, drückt sich in der Musik aus. Wir tauchen also durch seine Musik auch in Brahms’ Leben ein.

Brahms-Zyklus in der Isarphilharmonie

Sie möchten jungen Menschen Brahms nahebringen, was erzählen Sie?

 

Batiashvili: Brahms’ Musik habe ich als Jugendliche gehört, als ich zum ersten Mal verliebt war. Diese Leidenschaft, die stets mit einer klaren Struktur und Sprache ausgedrückt wird, ist für mich die größte Inspiration.

 

Capuçon: Ich erzähle von meiner Erfahrung mit Brahms als Kind. Damals wusste ich nichts über die Biografie des Komponisten, meine Seele war einfach nur tief berührt von der Musik. Es gibt keine besseren Worte als Musik. Deshalb: Öffne deine Ohren und dein Herz, um die Musik zu fühlen!

Text: