Als die Brass for Africa Band an diesem warmen Juliabend im Gasteig HP8 auf die Bühne tritt, sind nicht nur jene live dabei, die die Stuhlreihen im Saal X besetzen. Tausende Kilometer entfernt wartet ein zweites Publikum gespannt auf ihren Auftritt. Es erlebt das Konzert per Live-Stream, die Übertragung wird auf eine Leinwand an einem LKW geworfen. Und eben dieser LKW ist Anlass für das Konzert. Als „Lab Uganda“ mit Tonstudio, Instrumenten und Bühne ist er seit fast einem Jahr unterwegs, um Musik zu Menschen zu bringen, die unter schlimmsten Bedingungen leben – in BidiBidi, der zweitgrößten Flüchtlingssiedlung der Welt.
Für diesen einen Abend ist also der Saal X der Knotenpunkt, markiert das X die Stelle, die alles verbindet: Die Brass for Africa Band aus Uganda unter der Leitung von Lizzie Burrowes mit der Teacher’s Groove Bigband aus Bayern, die die zweite Hälfte des Konzertes bestreitet, bevor am Ende gemeinsam musiziert wird. Und beide mit ihrem Publikum – vor Ort und in Uganda.
Viel Eindrückliches wird im und über das Konzert gesagt. „How I wish you all knew where we come from“, sagt Ronald Kabuye in seiner Ansprache, „but that’s not what we represent today.“ Er beschreibt seinen Weg aus den Slums von Kampala: wie er zum ersten Mal eine Posaune in die Hand nahm, später die größten Bühnen der Welt bespielte, und dann selbst erst zum Lehrer, Anwalt und heute zum Projektmanager des „Lab Uganda“ geworden ist. „Music Changes Lives“ – das Motto, mit dem der Abend überschrieben ist, wird man immer wieder hören und erleben.
Alle Mitglieder der Brass for Africa Band sind inzwischen selbst Lehrer*innen für Musik und Lebenskompetenz. Wie Sharon Birungi, die den satten Brass-Sound mit ihrem Euphonium unterfüttert. Für sie ist Musik Traum, Erlösung und Schmerzmittel, ohne Musik hätte sie nie reisen können. Als besonders inspirierend empfindet sie es, die Frauen in der Teacher’s Groove Band an Saxofon und Klavier spielen zu sehen. Sie habe auf dieser Reise Freundschaften geschlossen und Wissen über Musik erworben, das sie nun weitertragen könne, erzählt sie. Brian Kidega am Tenorhorn beschreibt Musik als Sprache, die jeder verstehen und hören kann, die es ihm ermöglicht, mit einer Gruppe selbstbewusst zu kommunizieren: „Music means togetherness. It is a language that everyone can listen to and feel pleased.“
Tubist Tonny Kamarachi betont, dass Musik uns mit Menschen unabhängig von Alter, Hautfarbe oder Geschlecht verbindet. Und schon dieser eine Abend zeigt eindrucksvoll, wie Kulturaustausch physische und virtuelle Räume öffnet, in denen Musiker*innen aus Uganda und Deutschland unterschiedliche Kulturen schätzen und Talente zelebrieren, Wissen und Erfahrungen austauschen können. „Musik als Türöffner“, wie Verena-Maria Fitz von Music Connects es ausdrückt. Es geht immer um die Gemeinschaft und den Austausch auf Augenhöhe, was auch Gasteig-Geschäftsführer Max Wagner sofort für dieses Projekt begeistert hat. Das beginnt bei der sorgsamen Organisation des Gasteig-Projektmanagers Uwe Mailänder und geht bis zu den Technikern Anton Hartmann und Zeno Heilmeier, die am Konzertabend den Livestream im Kontakt mit ihrem Kollegen in BidiBidi auf die Beine gestellt haben.
Aber so treffend all diese Worte sein mögen, können sie doch nicht die Stimmung und Energie fassen, die sich in der Musik selbst ausdrückt. Wenn ein Tanzsolo die Stimmung hochtreibt, wenn Jazzstandards federleicht durch den Raum schweben, wenn gemeinsam der Bayerische Marsch „Mein Heimatland“ intoniert wird, wenn es niemanden mehr auf den Sitzen hält und das Publikum inbrünstig den lebensbejahenden Jubel „Jabulani“ skandiert. Und bedürfte es doch noch der Worte: Eines der Lieder der kollektiven Zugabe heißt „As one“ – wie zu einem gemeinsamen Ganzen verschmolzen. Und dieses Gefühl trägt hinaus aus diesem Abend, in eine hoffentlich langanhaltende Verbundenheit.
Text: Benedikt Feiten