Türmer München
Sehen. Erleben. Da sein. Vom Gasteig in Haidhausen über München blicken – über Deine Stadt, als Teil der Stadt. Darum ging es bei Türmer München.
Die Performance
Türmer München ist eine Performance der Choreographin Joanne Leighton (WLDN), die vom 12.12.2020 bis 12.12.2021 auf dem Dach des Gasteig in der Rosenheimer Straße stattfand – zweimal am Tag, 365 Tage im Jahr, mit 730 Teilnehmenden. Diese wurden jeweils für eine Stunde – hoch über der Philharmonie und ganz nach dem mittelalterlichen Vorbild – zum*r Türmer*in Münchens und damit zum Teil der ein Jahr lang andauernden Performance. Mehr Hintergründe und Erfahrungen mit dem Projekt erzählte sie uns im Interview, das Sie hier nachlesen können.
Deine Stunde über der Stadt
Eine Stunde Zeit und Raum ganz für sich allein haben – und zugleich mit der ganzen Stadt in Beziehung treten: Türmer München schenkte allen Teilnehmenden diese Gelegenheit. Der Aussichtsraum auf dem Dach des Gasteig in Haidhausen bot einen Ort, an dem sie ihre Stadt überblicken, sich aus dem hektischen Stadtleben herausnehmen und gleichzeitig aus neuer Perspektive ins Stadtleben eintauchen konnten: sich selbst und die eigene Stadt wahrnehmen, neu entdecken, in Verbindung mit ihr treten, Verantwortung für sie und ihre Bewohner*innen übernehmen, präsent sein, da sein. Ohne Ablenkungen und Utensilien wie Handy oder Uhr, jenseits des Alltagstrubels und in voller Achtsamkeit.
Von der Stadt aus sichtbar, stellte die beleuchtete Holzkonstruktion einen exponierten Aussichtspunkt und zugleich einen schützenden Ort für alle Türmer*innen dar. Die Türmer*innen hatten einen weiten Blick Richtung Süd-West, über große Teile Münchens. Dabei stellte sich die Frage: Blicke ich auf die Stadt und ihre Choreografie oder blicken die Stadt und ihre Bewohner*innen auf mich und meine Performance?
Erinnerungsspuren der Türmer*innen
Türmer München begann am 12.12.2020 mit der 1. Türmerin bei Sonnenuntergang und endete am 12.12.2021 bei Sonnenaufgang mit dem 730. Türmer. Dazwischen hielten täglich zweimal Teilnehmende Wacht über München: eine Stunde exakt ab Sonnenaufgang und eine Stunde bis zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs. Immer gleich – und doch immer anders. Pandemiebedingt stand erst am 8.3.2021 der erste Türmer im Aussichtsraum auf dem Dach der Philharmonie. Zuvor hatten sich die Türmer*innen eigene Orte für ihre Stunde gesucht – zu Hause, oder an einem anderen Ort in der Stadt.
Nach ihrer Stunde hinterließ jeder Person Erinnerungsspuren in Form zweier Fotos (Porträt und Aussicht) und als Text, in dem sie gesammelte Eindrücke, Gefühle und Gedanken festhielt. Diese wurden in einem Blog gesammelt und schließlich zum Türmer-Buch zusammengefasst.
Wer konnte wie mitmachen?
Alle Interessierten ab 16 Jahren, die schwindelfrei und trittfest sind, konnten sich als Türmer*in anmelden. Hatte man einen der begehrten Plätze erhalten, nahm man an einem Workshop teil. Tänzer*innen und Choreograf*innen führten hier in das Konzept der Performance ein und zeigten Übungen zum körperlichen und mentalen Präsent sein, um eine Stunde lang an einem Ort aufmerksam zu verweilen und den eigenen Körper, die Gedanken und Gefühle sowie sein Umfeld aufmerksam wahrnehmen zu können.
30 Minuten vor Beginn der Türmer-Stunde traf man seine*n Begleiter*in. Diese*r war Ansprechperson vor Ort, brachte die Teilnehmenden zum Aussichtsraum und holte sie am Ende wieder ab. Die Begleiter*innen hatten zuvor schon selbst an der Performance teilgenommen und unterstützten das Türmer-Team ehrenamtlich.
Eine Eröffnungs- und Abschlusszeremonie, die das Jahr umrahmten sowie vierteljährliche Austauschtreffen mit allen Türmer*innen gaben darüber hinaus die Gelegenheit, sich über die gemachten Erfahrungen auszutauschen und die Künstlerin Joanne Leighton kennenzulernen.
Lesen Sie auch unseren Magazin-Beitrag „730 besondere Momente für München beim Türmer München-Projekt“.
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Was steckt dahinter?
Das Werk „Les Veilleurs“ (fr. Originaltitel) wurde von der belgisch-australischen Choreografin Joanne Leighton entwickelt. Themenschwerpunkte ihres Schaffens und ihrer Kompanie WLDN sind u. a. die Einbindung des Publikums in das Kunstwerk und der interdisziplinäre Austausch von Choreografie und anderen Kunstformen. Achtsamkeit und Präsenz spielen in diesem Werk eine wichtige Rolle, ebenso der Aspekt der Wiederholung und des Rituellen.
Belfort, Laval, Rennes, Hagenau, Freiburg, Evreux, Dordrecht, Graz, München Kingston upon Hull, Paris. Seit Joanne Leighton das Projekt im französischen Belfort 2011 zum ersten Mal realisierte, ist das Werk international, an verschiedenen Orten und fast ohne Pause präsent. Nach München ging es weiter in Kingston upon Hull und in Paris. Dabei ist es „immer wieder neu und doch gleich“, so Joanne Leighton, „in jeder Stadt! Türmer München wurde nie zuvor gemacht – und zugleich machen wir das Projekt seit zehn Jahren. Die Autorschaft des Werks ist dabei immer die gleiche: Es geht immer um diese eine Stunde, zweimal am Tag, 365 Tage lang, zu Sonnenauf- und Sonnenuntergang … das Herzstück war also immer sehr beständig.“
Der Aussichtsraum
Das Design des Aussichtsraums stammt von Benjamin Tovo. Der Architekt hat sein Studium an der École Nationale Supérieure de Création Industrielle (ENSCI – les Ateliers) absolviert. In Kooperation mit anderen Architekten, Szenographen und Grafikern arbeitet Tovo immer wieder an architektonischen Umgestaltungen und temporären oder permanenten Ausstellungen. Seine Tätigkeit als Bildender Künstler und Lehrender ermöglicht ihm ein ganzheitliches Verständnis von Kreation und führte auch zur Zusammenarbeit mit Joanne Leighton.
So kam der Aussichtsraum aufs Dach des Gasteig:
Wer das Projekt ermöglicht hat
Türmer München ist eine Veranstaltung der Gasteig Kulturstiftung
mit freundlicher Unterstützung von Bernd Wendeln
Performance: Joanne Leighton/WLDN
Design: Benjamin Tovo
In Zusammenarbeit mit der Gasteig München GmbH
Unterstützt durch die Beisheim Stiftung
Medienpartner: