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Zum ersten Mal in der Isarphilharmonie

In der Isarphilharmonie finden viele Klassik-Veranstaltungen statt. Was aber ist, wenn mich dieses Genre bisher nicht interessiert oder sich noch nie ein Konzertbesuch ergeben hat? Soll ich trotzdem den Schritt wagen und mir live ein Orchester anhören – rein aus Neugier? Zwei Münchnerinnen haben ein Konzert in der Isarphilharmonie besucht und ihre spannenden Erkenntnisse mit uns geteilt.

Publikum in einem Veranstaltungsaal, zwei Frauen machen ein Selfie.
Social Media macht’s möglich: Zwei Münchnerinnen sind unserem Aufruf auf Instragram gefolgt und haben zum ersten Mal im Leben ein klassisches Konzert besucht. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Die Münchner Symphoniker treten an diesem Abend gemeinsam mit dem jungen georgischen Pianisten Giorgi Gigashvili auf – Beethoven und Schumann stehen auf dem Programm. Angelika und Jacqueline, Mutter und Tochter, kennen den Gasteig HP8 von Festivals wie der „Langen Nacht der Musik“ oder „Tanz den Gasteig“. Auch eine Führung hätten sie schon mitgemacht, erzählt Jacqueline. „Aber wir haben beide noch nie ein klassisches Konzert besucht – weder in der Isarphilharmonie noch sonst irgendwo.“ Sie sei generell offen für Neues, so habe ihre Mutter sie erzogen, sagt die 35-jährige Personalerin, die sonst eher Hip-Hop, R ’n’ B, Soul oder Funk hört. An diesem Abend wolle sie die angeblich tolle Akustik des Saals endlich selbst testen: „Letzten Monat bin ich zum ersten Mal einen Halbmarathon gelaufen, heute gehe ich in ein klassisches Konzert. Für mich passt das zusammen.“

Zwei Frauen in der Halle E lachen in die Kamera.
Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig
Eine Frau mit Zettel und Stift in der Hand, daneben zwei Frauen, die ihr etwas erzählen.
Feedback interessiert uns immer: GasteigPressereferentin Melanie Brandl hat die beiden Frauen am Konzertabend begleitet. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Angelika liebt Kunst, ist selbst gerne kreativ und hört Klassik manchmal im Radio. Jacqueline hingegen hat zu diesem Genre wenig Bezug. Trotzdem freut sie sich auf das Experiment. „Ich hoffe, dass mich die klassische Musik berühren wird, sodass ich sie buchstäblich auf der Haut spüren kann.“

 

Den ersten Teil des Konzerts prägt vor allem Giorgi Gigashvilli, der selbst zwischen Volksmusik, Pop und Klassik schwankt und in seiner Heimat den TV-Wettbewerb „The Voice“ gewonnen hat. Lösen seine virtuosen Soli auf dem Flügel tatsächlich Gänsehaut bei Jacqueline aus? „Sie tun es, aber anders als ich dachte“, wundert sich die junge Frau in der Pause. „Ich habe etwas erwartet, das emotional viel schwerer ist.“ Sie lacht, weil die vielen Streicherpassagen sie vor allem an die Musik in Disneyfilmen erinnern. Ein Manko? „Nein, ich liebe Disneyfilme. Das Ganze klingt einfach erstaunlich fröhlich.“

 

Wirklich lustig sei die Atmosphäre im Saal aber dennoch nicht, schränkt Mutter Angelika ein. Als ein Herr, der den Flügel geöffnet und für den Solisten vorbereitet hat, von ein paar Zuschauenden versehentlich mit dem Star verwechselt wurde und dafür Applaus bekommen und ins Publikum gewunken hat, habe sie laut lachen müssen, erzählt sie. „Das war wirklich witzig. Und trotzdem blieben die meisten Menschen um mich herum todernst.“

 

Dieser Mangel an Humor ist aber nicht die einzige Skurrilität, die den beiden Klassik-Neulingen in der Isarphilharmonie auffällt: Unterdrücktes Husten, das nur in den Pausen, dann aber wie auf Knopfdruck laut wird, oder Applaus, der zwischen einzelnen Stücken nicht erwünscht ist, gehören definitiv auch dazu. „Ich habe immer rechts und links geschaut, was die anderen machen, weil ich nie wusste, wann ich klatschen darf“, erzählt Angelika. Außerdem habe sie auf der Bühne eine für sie „krasse Hierarchie“ zwischen Dirigent und Orchester empfunden. „Bei den Rolling Stones gibt es das nicht, obwohl Mick Jagger eine echte Rampensau ist“, lacht sie.

Neugierig geworden?

Klassik in der Isarphilharmonie

Trotz all dieser Skurrilitäten gefällt Mutter und Tochter das klassische Konzert. „Ich würde es definitiv noch einmal machen“, resümiert Jacqueline. Und das, obwohl ihr das lange ruhige Sitzen wirklich schwerfalle, fügt sie hinzu. Normalerweise springe sie in Konzerten bereits nach wenigen Tönen auf und bewege sich aktiv zur Musik. „Hier ist die einzige Bewegung das Klatschen!“ Diese Ruhe hat aber durchaus auch Vorteile, stellt sie für sich selbst fest: „Niemand ratscht nebenher, niemand lenkt ab, der Fokus liegt allein auf der Musik. Und außerdem war dies das erste Konzert, in dem ich mal kein Handy vor dem Gesicht, sondern einen freien Blick auf die Bühne hatte.“

 

Darin spiegele sich auch ein besonderer Respekt vor der Kunst wider, betont Jacqueline und blickt sich noch einmal in der inzwischen leeren Isarphilharmonie um: „Ich habe den Abend sehr genossen. Die Tür zur Klassik hat sich für mich heute einen Spalt geöffnet. Und ich nehme mir fest vor, da durchzugehen. Jetzt habe ich den Fuß drin.“

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