Erst vor Kurzem haben „We Are Video“ ihre Räumlichkeiten in Haidhausen bezogen, doch beliebig wirkt hier nichts: ein langer Tisch, gedeckte Töne, angenehmes Licht. Eine riesige Fläche zeigt die kürzlich im Gasteig gezeigte Installation „Aurum“. Wer nah herantritt, kann mit Wischbewegungen bunte Schlieren erzeugen und bewegten Hintergrund freilegen. Eigentlich kommen Kurig und Gasteiger aus der Theaterszene, doch irgendwann ging es raus in die Stadt, an die Fassaden – auch bald schon mit Werken, die zufällig Vorbeikommende zum Mitmachen anregen.
„Durch Technologie und Kreativität machen wir Kunst erlebbar. Die Leute können unsere Werke nicht nur anschauen und dann gut oder schlecht finden, sondern teilhaben.“
Was die Menschen durch die Kunst von „We Are Video“ erleben, ist sehr unterschiedlich. Es kann ein groß angelegtes KI-Experiment sein, wie es im Forum der Zukunft geplant ist, in dem Besucher*innen in Echtzeit Fragen zu Exponaten stellen können. Oder aber sie nehmen per Virtual Reality die Verzerrungen und die Lichtkrümmung schwarze Löcher wahr wie bei „Cosmic Hive“ im Pathos Theater. Ausstellungen über den Mathematiker Leonardo Fibonacci und über die Titanic sind auch in Arbeit. Eine Ärztin der Haunerschen Kinderklinik erzählte, dass sie Kinder immer nach der dort gezeigten Videoinstallation frage, da die Kleinen so ganz leicht ins Reden gerieten und sich der Fokus von der Krankheit wegbewege. Oft sind es solche Verschiebungen der Wahrnehmung, die die Installationen des Münchner Studios hervorrufen.


Ein und eins macht zehn
Kurig ist eher für die konzeptionelle Seite zuständig und Gasteiger setzt das Bild dann um. Bei „We Are Video“ partizipieren aber mehrere Leute. „Es gibt nicht da oben den einen, der den Hut aufhat“, meint Kurig. „Das ist für uns so ein bisschen alte Welt. Wir versuchen, Kooperation statt Konkurrenz hochzuhalten. Eins und eins muss nicht immer zwei sein, alles befruchtet sich so, dass eins und eins auch zehn sein kann.“
In ihrem künstlerischen Prozess bedienen die beiden sich unter anderem auch der KI, ein Begriff, den sie als reines Schlagwort ablehnen. Kurig beschreibt sie als „nützlichen Diener“, der Dinge ermöglicht, die sonst nur mit sehr hohem Aufwand umsetzbar wären. Gerade arbeitet er an einem Ouvertüren-Film, der den Stil eines Heimatfilms der 1950er-Jahre imitieren soll: „Dann bist du bei der Recherche genau auf so etwas wie KI angewiesen. Aber wichtiger ist, was kreativ von uns hineingeht.“ Der Zugriff auf bildgebende KI bringt auch Überraschungen mit sich, etwa als der dystopische Eindruck einer apokalyptischen Stadt durch ein per KI erzeugtes Flackern verstärkt wurde.
AI Dreamstream
Die neue interaktive Installation in der Halle EGasteiger vergleicht den Prozess mit bildender Kunst: „Es gibt schon Tools, die einen von dem abdriften lassen, was man eigentlich machen wollte. Da nimmst du im übertragenen Sinn einen Farbtopf, schmeißt ihn an die Wand, und das sieht einfach geil aus. Und dann gibt es feinere Werkzeuge, da musst du erst mal ganz genau wissen, welchen Pinsel du brauchst, damit du zu dem gewünschten Ergebnis kommst.“ Die Komplexität einer gebauten Installation ist aber gar nicht so wichtig für die Wirkung weiß Kurig: „Letztendlich rufen manchmal gerade die einfachsten Ideen die größte Begeisterung hervor. Und daran messen wir unsere Arbeit.“
Text: Benedikt Feiten