Direkt nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 meldete sich Slava Vakarchuk zur Armee und wurde zum Singen abkommandiert. Seine Mission als Leutnant lautet seitdem: Hoffnung. Er spielt Konzerte für die Truppen an der Front, in Ruinen, Krankenhäusern und Bunkern. Seine Musik dient nicht nur als Trost, sondern auch zum Aufruf für Spendenaktionen, zur Motivation der Soldat*innen und zur Bewahrung der bedrohten Identität und Kultur der Ukraine. Viele Künstler*innen seines Heimatlandes tun es Vakarchuk gleich. Sie sehen sich als „Cultural Forces of Ukraine“ – als Kulturtruppe eines umkämpften Landes. Sie kämpfen für Demokratie und klären darüber auf, was sich in der Heimat abspielt.
Vom Physiker zum Rockstar
1975 im Westen der Ukraine geboren, wurde Vakarchuk die Musik nicht unbedingt in die Wiege gelegt, viel eher die Wissenschaft und das Interesse für Politik. Seine Eltern waren Physiker*innen, sein Vater zudem zeitweise Minister für Bildung und Wissenschaft. Er selbst ist Doktor der theoretischen Physik. Bereits während des Studiums gründete er seine Band Okean Elzy 1994 in Lwiw. Inzwischen kann die Rockband auf eine erfolgreiche 30-jährige Karriere und 12 Alben zurückblicken. 2021 versammelte sie bei einem Konzert zum Unabhängigkeitstag in Kyiv 100.000 Menschen.
„Die Kreativität ist für mich wichtig, damit ich mich als Musiker und auch als Mensch begreifen kann.“
Soziales Engagement war für Vakarchuk immer wichtig. Er war der erste Gewinner der ukrainischen Version von „Who Wants to Be a Millionaire?“ und spendete den Millionen-Gewinn an Waisenhäuser. Mit seinen Bandkollegen von Okean Elzy engagierte er sich bei der Orangen Revolution und dem Euromaidan, außerdem ist Vakarchuk ukrainischer Kulturbotschafter und Botschafter des guten Willens (Global Goodwill Ambassador) der Vereinten Nationen.
Vom Politiker zum Kulturkämpfer
Schon vor dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine war der Sänger politisch sehr aktiv. Während des Euromaidan 2013/14 setzte er sich für die prowestliche Opposition ein, nach der Wahl 2019 wurde er Parlamentsabgeordneter für die von ihm gegründete Partei „Stimme“. 2020 zog er sich zurück, um sich außerparlamentarisch für sein Land einzusetzen. Seither engagiert sich Vakarchuk bei vielen sozialen und kulturellen Projekten, u. a. bei der von ihm gegründeten Wohltätigkeitsstiftung „Lyudi Maybutnyoho“ (People of the Future). Er tourt durch Europa und Nordamerika, um Spenden zu generieren und das Engagement im Westen hochzuhalten. Der Kampf der Menschen in der Ukraine soll nicht in Vergessenheit geraten.
Seine aktuelle Tour führte ihn auch in die Isarphilharmonie nach München, wo er ein Charity-Solokonzert gab. Fans von Slava Vakarchuk erlebten zwei sehr persönliche Seiten des Künstlers. Mit seiner Gitarre versetzte er das Publikum an die Frontlinien des Ukrainekonflikts, singt Hymnen des Muts und Widerstands. Am Flügel hingegen war es, als würde man dem Rockstar beim Komponieren über die Schulter blicken: Musik für dunkle Zeiten.
Text: Heike Braun