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Flower Power: Tischgespräche. Lasst uns reden!

Ein neues Format im Gasteig HP8 bringt unterschiedliche Menschen und Meinungen zusammen: Bei „Flower Power: Tischgespräche“ wird ein Fragen-Menü serviert, das dazu anregt, miteinander ins Gespräch zu kommen. Initiator Eugene Quinn erzählt, wie er Menschen zum Sprechen bringt.

Blick über die Schulter zweier Leute, eine dritte Dame steht dabei und lächelt in die Kamera. Sie stoßen mit Weingläsern an. Schemenhaft im Hintergrund die Halle E.
Am 22.2. können Unbekannte gemeinsam essen, trinken und in Gespräche eintauchen. Copyright: Rico Guettich/Gasteig

Zwei einander fremde, möglichst unterschiedliche Menschen sitzen an einem Tisch, sie essen und trinken miteinander und führen etwa zwei Stunden lang ein intensives Gespräch. Ein Menü aus 25 Fragen setzt Themen und motiviert zur Konversation. Erstmalig finden solche „Tischgespräche“ im Rahmen des Flower Power Festivals im Gasteig statt und laden dazu ein, neue Menschen und Perspektiven kennenzulernen sowie den eigenen Horizont zu erweitern.

 

Stadtforscher und Journalist Eugene Quinn kuratiert das neue Format im Gasteig und ermutigt alle, dieses soziale Storytelling-Abenteuer auszuprobieren. Er hat in ähnlichen Veranstaltungen bereits Menschen aus 70 verschiedenen Nationen zum Reden und Zuhören gebracht, darunter Geflüchtete und Politiker*innen, Weltreisende und Heimatverbundene. Drei Hochzeiten gingen aus Quinns Tischgesprächen hervor, dabei ist seine Intention genau das Gegenteil: Je unterschiedlicher die Gesprächspartner*innen, desto besser.

Stadtforscher Eugene Quinn steht in einem leeren Café zwischen Tischen und Stühlen.
Eugene Quinn spielt gerne mit dem öffentlichen Raum und organisiert Community-Formate in verschiedenen Städten. Copyright: Eugene Quinn

„Gerade in großen Städten laufen wir Gefahr, dass wir uns immer nur in der eigenen Blase bewegen. Ich möchte, dass wir unsere Bubble platzen lassen und uns alle mehr füreinander interessieren.“

Eugene Quinn, Stadtforscher und Initiator der Tischgespräche im Gasteig HP8

Eugene Quinn, Sie initiieren analoge Tischgespräche mit wildfremden Personen in Kaffeehäusern oder Museen. Reden wir zu wenig miteinander?
Während es im digitalen Zeitalter über die sozialen Medien sehr einfach ist, neue Freundschaften zu schließen, passiert meiner Meinung nach genau das Gegenteil im realen Leben. Es fällt schwerer, einfach jemanden auf der Straße anzusprechen, Leute sind skeptisch und viele machen sich Sorgen um die Zukunft. Ich bin überzeugt, dass echte Gespräche hier viel bewirken können: Sie geben Hoffnung und Vertrauen, positiv in die Zukunft zu schauen.

 

Wie kamen Sie darauf, ein Format zu organisieren, bei dem man sich zu zweit bei Tisch unterhält?
Die ursprüngliche Idee stammt vom britischen Historiker und Philosophen Theodore Zeldin. Er hat das Buch „Eine intime Geschichte der Menschheit“ geschrieben und erforscht darin, wie Menschen aus verschiedenen Schichten und Kulturen, Männer wie Frauen, privat miteinander sprechen und, wie sich Gespräche über die Zeit hinweg verändert haben. Zeldin hält die Qualität unserer Dialoge im 21. Jahrhundert für zu banal. Er findet, wir sollten bei unseren Gesprächen ambitionierter sein. In seinem Buch schreibt er 25 Fragen auf, die wir alle einander stellen sollten. Einige der Fragen haben wir für die Tischgespräche im Gasteig an das Festivalmotto „Flower Power“ angepasst.

 

Die „Flower Power: Tischgespräche“ im Gasteig sollen nicht bei oberflächlichem Smalltalk hängen bleiben, sondern tiefer gehen. Wie lässt sich das planen?
Menschen, die sich anmelden, erhalten das Fragen-Menü vor Ort und können es aufgreifen, um in Dialog zu treten. Sie müssen aber nicht alle Fragen abarbeiten, sondern dürfen auch nur ein paar davon als Werkzeug nutzen. Einzige Regel: Eine Frage, die man dem Gegenüber stellt, sollte man auch selbst beantworten. Ziel der Gespräche ist nicht, Menschen zu beurteilen, sondern aufeinander einzugehen und einander zuzuhören – nur dabei lernt man Neues kennen und reflektiert auch die eigene Lebensgeschichte. Es wird sicher ein lustiger Storytelling-Abend.

Ein junger Kellner trägt ein Tablett mit Fingerfood
Ein veganes Begleitmenü sorgt für entspannten Gesprächs-Genuss. Copyright: Rico Guettich/Gasteig

Können Sie uns schon einen kleinen Vorgeschmack auf die Fragen geben?
Es sind unübliche, etwas freche Fragen dabei, die man im Alltag auch Freund*innen eher nicht stellen würde. Zum Beispiel: Welcher Teil Ihres Lebens war eine Zeitverschwendung? Was sind Ihre heimlichen Leidenschaften? Wie hat Ihre Herkunft Sie eingeschränkt oder begünstigt? Außerdem haben wir uns spezielle Fragen zum Thema Flower Power überlegt wie: Was ist für Sie wichtiger, Macht oder Blumen? Oder: Was verstehen Sie unter einer Smart City? Das Festivalmotto lässt sich in diverse Richtungen vertiefen. Auch der Aspekt der mentalen Gesundheit ist interessant: Studien zeigen, dass es immer gut ist, sich mit Natur zu umgeben. Unsere momentane Beziehung zur Natur ist gefährlich und überhaupt nicht nachhaltig. Können wir so weitermachen?

 

Zu all den starke Meinungen, die auf den Tisch kommen, werden kulinarische Häppchen serviert. Welche Rolle spielt das Essen an diesem Abend?
Es steht nicht im Mittelpunkt, hat aber einen entspannenden Begleiteffekt: Essen verlangsamt die Dinge. Gleichzeitig geht es dabei um Rituale, man kann sich öffnen und gegenseitig Vertrauen aufbauen. Wir wollen zeigen, dass wir gerne mit anderen Leuten aus der Welt zusammen essen, es ist ein produktiver Weg, um Brücken zu bauen. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, bei den Tischgesprächen ein veganes Begleitmenü zu servieren.

 

Welche Wirkung erhoffen Sie sich von dem Format im Gasteig HP8?
Ich freue mich, wenn Institutionen wie der Gasteig mit einem solchen Format spielen. Es kann Vertrauen innerhalb der Stadt aufbauen und Menschen untereinander bekannt machen. Gerade in großen Städten
laufen wir Gefahr, dass wir uns immer nur in der eigenen Blase bewegen. Ich möchte, dass wir unsere „Bubble“ platzen lassen und uns alle mehr füreinander interessieren.

Das Innere der hellen Halle E, man sieht im Hintergrund Menschen an der Bar und auf Stufen sitzen. Im Vordergrund leuchtet pink das Logo das Flower Power Festivals: eine stilisierte Blume, die ein P bildet.
Das pinkfarbene Logo des Flower Power Festival München im Gasteig HP8: Bis Oktober 2023 gibt es hier im Festivalzentrum Kunst und Kultur rund um die Blüte. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Über Eugene Quinn

Der in London geborene Stadtforscher, DJ und Journalist wohnt in Wien und spielt gerne mit dem öffentlichen Raum. Als „rebellischer Optimist“ engagiert er sich u. a. mit der politischen Kulturgruppe Whoosh dafür, das Potential von Städten neu zu entfachen. Durch besondere Stadtführungen, Community-Projekte und Storytelling-Formate hat Quinn bereits Menschen aus der ganzen Welt ins Gespräch gebracht. Der Vater eines 10-Jährigen schätzt die direkten Fragen seines Sohnes sehr und legt bei angesagten Partys in Wien auf. Eine Kostprobe bekommen alle im Anschluss an die Tischgespräche: Quinn’s Flower Power-Musik lässt den Abend voller Geschichten in der Halle E ausklingen.

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Flower Power: Tischgespräche

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