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Hilfe auf vier Beinen – unterwegs mit Assistenzhund Wastl

Er kann Krampfanfälle anzeigen und schnarcht im Konzert: Assistenzhund Wastl. Im Gegensatz zu anderen Hunden darf der Dackel sich im Gasteig HP8 aufhalten. Er gilt als medizinisches „Hilfsmittel“ und trägt im Notfall wichtige Informationen über seine Besitzerin auf dem Rücken.

Assistenzhund Wastl an der Leine vor dem EIngang der denkmalgeschützten Halle E.
Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Selbst in einem so gemischten Publikum, wie wir es im Gasteig HP8 jeden Tag begrüßen, sticht dieser besondere Gast hervor. Man erkennt ihn an seinem freundlichen Blick. Obwohl die buschigen Brauen schon leicht angegraut sind, erfasst er seine Umgebung aufmerksam. Sein Name ist Wastl und seine Aufgabe steht auf der auffälligen Kenndecke auf seinem Rücken: „Assistenzhund.“ Das unterscheidet den Rauhaardackel von anderen Hunden, die draußen warten müssen. Wastl darf am Türsteher vorbei. Denn Assistenzhunde sind medizinische Hilfsmittel mit Sonderrechten und erfüllen wichtige Aufgaben.

 

Von Zeit zu Zeit bekommt auch Wastl trotz seiner Weste Zutrittsprobleme in öffentlichen Räumen wie dem HP8. „Gefühlt hört Inklusion und Barrierefreiheit da auf, wo Hilfsmittel sichtbar werden.“, sagt Freya Svenson (Name geändert), die Assistenznehmerin des Dackels, die auf die Unterstützung des Hundes angewiesen ist. Manchmal wird sie gebeten, sich im Publikum seitlich oder versteckt zu platzieren, damit das Sicherheitspersonal nicht in Erklärungsnot gerät, warum gerade ihr Hund hinein darf. Von den vielen verschiedenen Arten von Assistenzhunden sind bisher leider nur Blindenführhunde der breiten Öffentlichkeit bekannt. Aber es gibt auch Signalhunde für akustisch oder neurologisch Beeinträchtigte, Stoffwechselerkrankte, psycho-sozial Beeinträchtigte und Mobilitätsassistenzhunde für körperlich Behinderte.

Assistenzhund Wastl läift durch die Halle E.
Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Freya tut einiges dafür, mehr Menschen mit diesen wichtigen Begleitern vertraut zu machen. Sie hält Vorträge über Assistenzhunde, gibt Fortbildungen für medizinische und therapeutische Fachleute und hat in einem Arbeitskreis an der Entstehung des neuen Assistenzhundegesetzes mitgewirkt, das der Deutsche Bundestag 2021 verabschiedet hat.

 

Wenn Freya und Wastl die Karten für ihr Konzert holen, wartet der Dackel in der Schlange, ruhig und wie immer wachsam. Freya leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, die unregelmäßig auftretende Krampfanfälle mit sich bringt. Manchmal schafft sie es noch, sich zu setzen, manchmal stürzt sie zu Boden. Wastl erkennt, wenn Anfälle sich ankündigen, und kann sie seiner Besitzerin im Vorhinein anzeigen. Idealerweise kann sich Freya dann noch in Sicherheit bringen. Wastl ist einer von vielen Assistenzhunden, die Menschen helfen – und deren vielfältige Arbeit noch längst nicht bekannt genug ist.

 

 

„Ein Assistenzhund muss eine hohe Sozialverträglichkeit, Freude am Arbeiten und einen ausgezeichneten Grundgehorsam mitbringen.“

Freya, Besitzerin von Assistenzhund Wastl

In Wastls Kenndecke befindet sich zudem eine Notfallkarte mit wichtigen Informationen für das Rettungspersonal. Denn Freyas dissoziative Krampfanfälle wirken zwar wie Epilepsie, müssen aber anders behandelt werden. Soweit möglich sollen Rettungskräfte für Ruhe sorgen und Körperkontakt mit dem Assistenzhund herstellen, steht in den Anweisungen in der Rückentasche des Hundes.

 

Das Einlasspersonal der Isarphilharmonie grüßt Freya und Wastl herzlich. Mittlerweile kennt fast das ganze Team den Dackel, doch das war nicht immer so und auch im Gasteig kam es schon zu unangenehmen Situationen, weil Hunden generell der Zutritt dort nicht erlaubt ist. Nicht jeder Hund ist zum Assistenzhund geeignet. Neben den physischen und psychischen Anforderungen ist auch das Wesen wichtig.

Aisstnezhund Wastl auf dem Balkon der Isarphilharmonie.
Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Wastl erkennt Krampfanfälle am sich verändernden Körpergeruch und kann aus kleinen Abweichungen im Gangbild die richtigen Schlüsse ziehen. Allerdings ist er nicht mehr der Jüngste, darum durchläuft nun Barni, ein junger Basset Fauve de Bretagne, die aufwändige Ausbildung. Der „Chaoszwerg”, wie Freya ihn wegen seines charakteristischen Temperamentes nennt, ist noch nicht so weit, dass er ein Konzert besuchen könnte. Aber er kann schon richtig viel und manche Fähigkeiten seines Vorbilds soll er weiter verfeinern – zum Beispiel, beim Straßenqueren nicht innezuhalten, auch wenn ein Anfall naht, sondern einen ruhigen Ort aufzusuchen.

 

Die hohen Kosten für das anspruchsvolle Training trägt Freya selbst. Im Gegensatz zu den Blindenführhunden beteiligen sich Krankenkassen in Deutschland in der Regel nicht an der Finanzierung für Ausbildung und Unterhalt von anderen Assistenzhundearten. 2021 haben es diese Hunde endlich mit einem eigenen Paragrafen ins Behindertengleichstellungsgesetz geschafft. Dort ist nun geregelt, welche Rechte und Pflichten ein Assistenzhundeteam hat und woran man einen entsprechenden Hund erkennt. Aktuell wird noch an der dazugehörigen Verordnung gefeilt.

Ein Hund mit Besitzerin von hinten in der vollen Halle E.
Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

 

Für den Alltag würden sich Freya, Wastl und Barni wünschen, dass man Assistenzhunde nicht von ihrer Arbeit ablenkt, Zutritt gewährt und bei Unklarheiten höflich nachfragt – denn nicht jede Behinderung, bei der ein Hund assistieren kann, ist sichtbar. Im Konzert liegt Wastl übrigens mit stoischer Gelassenheit zu Freyas Füßen. Auf die Frage, ob er eine Lieblingsmusik habe und ob er Konzerte schon einmal gestört habe, muss Freya lachen. Meistens schlafe er. Peinlich wird es selten, aber nicht, weil der Hund bellt – sondern weil der kleine Dackel ganz schön laut schnarchen kann.

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