Zum Hauptinhalt springen

Die Philatelie-Abteilung im Gasteig HP8: eine eigene Welt

Miniaturkunstwerk oder historische Quelle? Briefmarken sind Spiegel unserer Kulturgeschichte. Mit 65.000 Medien in 43 Sprachen beherbergt die Münchner Stadtbibliothek eine der größten philatelistischen Fachbibliotheken Europas. Ein kleiner Teil dieses Bestandes, den vor allem Sammler*innen zu schätzen wissen, befindet sich im Gasteig HP8.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal und hält ein Buch in der Hand
Copyright: Melanie Brandl/Gasteig

Der Bibliothekar Jörgen Pfeffer ist verantwortlich für den Fachbereich Postgeschichte und Briefmarkenkunde in der Münchner Stadtbibliothek und verwaltet die Philatelie-Abteilung im Gasteig HP8. Aus Platzgründen ist auf dem Interimsgelände nicht der gesamte Bestand präsent: Rund 600 Medien befinden sich vor Ort, der Rest ist im Magazin in Oberschleißheim. „So können wir immerhin einen kleinen Ausschnitt unserer Fülle an Angebot zeigen“, sagt Pfeffer. Dabei redet er nicht von Briefmarkenalben.

Stattdessen ist das Regal im zweiten Stock der Halle E gefüllt mit Katalogen, Handbüchern und Fachzeitschriften. Am wichtigsten ist der Michel-Katalog, die „Bibel der Philatelist*innen“, in dem in vielen Teilbänden alle Briefmarken verzeichnet sind, die weltweit jährlich erscheinen. „Der wird am meisten ausgeliehen. Hier können die Sammelnden nachlesen, welche Briefmarken ihnen noch fehlen, und einen annähernden Eindruck vom Wert ihrer Sammlung bekommen“, erklärt der Bibliothekar.

„Briefmarken sind immer auch eine historische Quelle, ein Spiegel der Geschichte. Das macht sie kulturgeschichtlich so relevant.“

Es gibt aber auch Literatur über die Postgeschichte, Briefmarkenfälschungen und „Plattenfehler“, mikroskopisch kleine Druckfehler. „Briefmarken sind immer auch eine historische Quelle, ein Spiegel der Geschichte. Das macht sie kulturgeschichtlich so relevant“, so Pfeffer. Die Auswahl der Motive dieser Miniaturkunstwerke erzählt viel über die historischen Umstände ihrer Entstehungszeit. Es gibt Marken mit Motiven des Widerstands oder Kolonialbriefmarken als Zeitzeugen einer Epoche.

Ein Buch über Briefmarken
Copyright: Melanie Brandl/Gasteig

„Die Philatelie ist schon eine eigene Welt.“

Fällt die Philatelie selbst langsam aus dem Rahmen der Zeit? Weil immer weniger Menschen Briefe schreiben, nimmt das Interesse am Briefmarkensammeln und -erforschen ab. „Als ich jung war, hatten wir alle irgendwann mal ein Briefmarkenalbum“, erinnert sich Pfeffer und lacht. „Heute ist das eine Seltenheit. Dabei ist das Sammeln ja nicht nur ein meditatives Hobby, sondern über die Foren, Vereine und Messen, die es gibt, eine schöne Form der Vernetzung.“ Pfeffers Aufgabe ist es, die relevante Literatur zu erwerben, im Bibliothekskatalog zu erschließen und den Menschen bei der Recherche zu helfen. Dieses Thema bietet immer wieder Überraschungen: „In diesem Jahr ist ein Ersttagsbrief mit der ersten deutschen Briefmarke aus dem Jahr 1849 darauf – aus dem damaligen Königreich Bayern – versteigert worden. Fast eine halbe Million Euro hat jemand dafür bezahlt!“ Ungläubig schüttelt der Bibliothekar den Kopf. „Die Philatelie ist schon eine eigene Welt.“

Text: