Die Initiative Barrierefrei Feiern ist ein Kollektiv von Menschen mit und ohne Behinderung, das Veranstaltende seit über drei Jahren bei der Entwicklung inklusiver Kulturstrategien berät. Statt Checklisten für Barrierefreiheit auszuteilen, die bloß in Schubladen landen, geben die Expert*innen konkrete Tipps vor Ort – damit behinderte Menschen an Veranstaltungen teilnehmen können.
Was notwendig ist, um Events barrierefrei zu gestalten, ist Menschen ohne Behinderung oft gar nicht bewusst – nur eine barrierefreie Toilette anzubieten, ist nicht ausreichend. Getränkekarten, die für blinde Menschen auf der Webseite verfügbar sind, Rollstuhlrampen, so flach gebaut, dass sie ohne fremde Hilfe zu bewältigen sind, oder eine Vorab-Auskunft, ob Gebärdensprachdolmetschende vor Ort sein werden, können ein Anfang sein. Via Screenreader lesbare Kommunikation online, eine detaillierte Beschreibung der Anfahrtswege oder Plakate mit Kontrasten und klaren Schriften sind ebenfalls relevante Maßnahmen.
Der direkte Austausch mit Betroffenen ermöglicht Kulturschaffenden schon bei der Planung einen Perspektivwechsel. Bei den Veranstaltungen selbst unterstützt die Initiative Barrierefrei Feiern mit einem Awareness-Team vor Ort alle Menschen, auch Gäste mit Behinderung. Die persönliche Kommunikation mit den Expert*innen hilft Besuchenden, Berührungsängste abzubauen und Inklusion zu leben. Eine perfekte Methode dafür bietet zum Beispiel das Angebot „Lackieren und Diskutieren“ am Meeting-Point: Wer Lust hat, darf sich dort nach Lust und Laune die Nägel lackieren – und dabei Expert*innen wie die Community-Managerin der Initiative Franzi Lammers kennenlernen.
Franzi, eure Initiative war bereits bei mehreren Events im Gasteig vor Ort und ist auch beim Mental Health Arts Festival sehr stark präsent. Was hat Barrierefreiheit mit mentaler Gesundheit zu tun?
Sehr viel. Da spielt Sichtbarkeit eine große Rolle: Mir zum Beispiel sieht man sofort an, dass ich im Rollstuhl sitze. Aber es gibt zahlreiche unsichtbare Behinderungen, von denen viele auch die mentale Gesundheit betreffen. Betroffene Menschen werden oft diskriminiert, weil ihre Themen und Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden. Ein konkretes Beispiel: Menschen mit unsichtbaren Behinderungen können auch auf eine barrierefreie Toilette angewiesen sein. Bei der Benutzung dieser erleben sie aber häufig Diskriminierung, da ihnen die Zugangsberechtigung abgesprochen wird. Diesen Fällen möchten wir entgegenwirken, indem wir bei Bedarf Bändchen an Menschen mit unsichtbarer Behinderung ausgeben, die die Benutzung der barrierefreien Toiletten ermöglicht.
Beim Mental Health Arts Festival seid ihr mit einem Awareness-Team im Gasteig HP8. Was heißt das konkret?
Unser Awareness-Team ist vor Ort sichtbar für Menschen mit Behinderung, aber auch für alle, die Unterstützung in irgendeiner Art benötigen, weil es ihnen nicht gut geht, sie in einer Krise stecken, getriggert wurden oder einfach nur eine Pause brauchen. Unser Team ist intersektional und divers mit Menschen mit und ohne Behinderung besetzt und deckt dadurch ganz vielfältige Perspektiven ab. Zudem haben wir als Expert*innen in eigener Sache unterschiedliche Fachkompetenzen, die wir in unsere Awareness-Arbeit einbringen. Wir sind als Ansprechpartner*innen für die unterschiedlichsten Themen geeignet und können bei Unsicherheiten oder kritischen Situationen eingreifen und unterstützen. Unser Ziel ist, dass alle Menschen Zugang zum Mental Health Arts Festival bekommen,eine gute Zeit im Gasteig HP8 haben und sich wohlfühlen.
Ihr unterscheidet bewusst zwischen den Begriffen Barrierefreiheit und Inklusion. Warum?
Ich paraphraziere hier gerne die Diversity-Beraterin Vernã Myers: „Barrierefreiheit ist die Einladung zur Party, Inklusion die Einladung zum Tanz.“ Das Interesse an Inklusion wird in unserer Gesellschaft zum Glück immer größer. Aber manchmal ist das immer noch nur reine Theorie – der wirkliche Kontakt zu Menschen mit Behinderung fehlt. Inklusion ist eben nicht gegeben, wenn eine Veranstaltung barrierefrei, aber ausschließlich für Menschen mit Behinderung stattfindet. Inklusion ist erst dann erreicht, wenn Menschen mit Behinderung bei allen Veranstaltungen dabei sein können. Inklusion ist, wenn ich nicht mehr darüber sprechen muss. Inklusion haben und leben wir dann, wenn alle zusammen feiern.
Mehr Infos zur Initiative Barrierefrei Feiern
Text: Melanie Brandl