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Die Sinne schärfen: Warum uns Kultur für den Nachwuchs am Herzen liegt

Wenn „Der Gasteig brummt!“ kommen scharenweise junge Menschen in den Gasteig HP8. Neben diesen besonderen Musiktagen bieten wir mit vielen Kulturpartner*innen rund ums Jahr Kultur für den Nachwuchs an. Was treibt uns an?

Ein Mädchen des sozialen Musikprojekts C.O.N.SONANZA schaut lächelnd mit ihrer Geige in die Kamera. Der Geigenbogen ist bereit.
Die Geige macht das Leben schöner. Dieses Mädchen bekommt bei C.O.N.SONANZA kostenlosen Musikunterricht und darf direkt im Orchester mitspielen. Copyright: Benedikt Feiten/Gasteig

Wie eine „Reise in ein exotisches Land“ erleben Kinder erste Konzertbesuche, erzählt die Musikerin Ingrid Hausl. Angeregt durch eigene Bühnen-Erfahrungen wollte sie wissen, wie kindliche Begeisterung für Musik geweckt und aufrecht erhalten werden kann. Daher hat die Fagottistin zusätzlich Musikvermittlung studiert und entwickelt seit vielen Jahren mit großer Leidenschaft Konzerte für ein jüngeres Publikum, beispielsweise für „Der Gasteig brummt! 2023“.

 

Gefühl ohne Worte
Die Klänge, die Konventionen (Wann darf ich klatschen?), viele Aspekte sind beim Konzertbesuch zunächst fremd. Musikvermittlerin Ingrid Hausl sieht sich dann als Dolmetscherin: Ihr geht es nicht darum, Musik zu erklären, sondern durch ihre Moderationen und Geschichten den Zugang zur noch unbekannten Musikwelt zu erleichtern. Junge Menschen sollen ihren eigenen Wahrnehmungen und ihrer Fantasie vertrauen, so Hausl: „Ich möchte gar nicht unbedingt, dass sie nach einem Konzert mehr wissen als vorher, sondern, dass sie ein Gefühl mit nach Hause nehmen, das sich nicht in Worte fassen lässt.“

Die Musikvermittlerin Ingrid Hausl mit einer roten Clownsnase und einem Fagott in der Hand
Musikvermittlerin Ingrid Hausl liebt musikalische Abenteuer mit Kindern. Copyright: Veit Stößel

„Sie können ihren Blick schulen. Ihre Ohren weiten. Sie können fühlen und müssen nicht denken. Sie können bei einem Live-Erlebnis spüren, dass sie Teil von etwas sind, was nur jetzt im Moment und nie wieder genau so stattfindet.“

Ingrid Hausl, Musikerin und Musikvermittlerin

Wann sind Kinder bereit für musikalische Abenteuerreisen?

Das Spielfeld Klassik-Team der Münchner Philharmoniker kann in dieser Frage auf Erfahrungen mit allen Altersgruppen bauen. Als Musikbotschafter*innen entwickeln Mitglieder des Orchesters Formate für Menschen jeglichen Alters: Konzerte für Kindergärten, Workshops für die Allerkleinsten oder Jugendprogramme und Musicals für die ganze Familie. Alle sollen mindestens einmal erleben, was ein Orchester ausmacht und wie vielseitig und packend Klassik sein kann. Es zeigt sich: „Je früher Kinder mit Klassischer Musik in Kontakt kommen, umso offener sind sie und lassen sich begeistern.“, erzählt Lena Jaeger von Spielfeld Klassik.

Viele Kinder trommeln unter Anleitung von zwei Männern auf verschiedenen Gegenständen.
Bühne frei für den Nachwuchs: Mit den Double Drums beim Konzert in der Isarphilharmonie Copyright: Robert Haas / Gasteig
Sechs Kinder machen Bewegungsübungen unter der Anleitung von zwei Frauen. Alle heben die Arme nach oben.
Auch die Nachbarschaft macht mit! Im Artemis Schauspielstudio haben Emotionen freien Lauf. Copyright: Robert Haas / Gasteig

Wahrnehmen mit allen Sinnen
Jüngere Kinder denken noch nicht rational, sondern nehmen die Welt mit allen Sinnen wahr. Dabei sind sie – anders als Erwachsene – noch frei von Bewertungen und Kategorien. Je jünger ein Kind ist, desto ganzheitlicher und unbefangener kann es die Welt und auch die Musik erleben. Gerade die Kleinsten profitieren stark von geeigneten Kultur-Angeboten: Sie haben meist noch einen unmittelbaren Zugang zu den eigenen Emotionen und sind frei von der Sorge, etwas nicht zu verstehen oder womöglich falsch zu interpretieren: Jede*r hört anders und nimmt Musik unterschiedlich wahr.

 

Diese Erfahrung teilt auch die Pianistin und Kulturmanagerin Anastasia Reiber. Zusammen mit der Musikjournalistin und BR Klassik-Moderatorin Uta Sailer veranstaltet sie seit vielen Jahren im Gasteig mini.musik-Mitmachkonzerte für Kinder ab 3 Jahren. „Gerade im jungen Alter bis zu 6 Jahren ist die Beschäftigung mit Musik und Kunst für die Entwicklung prägend“, so Reiber. „Kinder können sich schöpferisch ausleben und auch die Konzentrationsfähigkeit und Disziplin werden dadurch gefördert.“

„Musik hilft, dass Kinder sich selbst und die Welt besser verstehen.“

Anastasia Reiber vom mini.musik e. V.

Mitmachen erwünscht!
Die Ansprache der Kinder auf verschiedenen Sinnesebenen, eine gute Musikauswahl und die auf das Hören ausgerichtete Interaktion sei bei der Musikvermittlung essenziell, betont Anastasia Reiber. Sie wählt für Ihre Konzerte die Musik sorgfältig aus und bettet sie in Themen ein, die Kinder in ihrem jungen Alter besonders beschäftigen, wie die Welt der Tiere oder des Zirkus. Um alle Sinne zu aktivieren, kommen bei den mini.musik-Konzerten neben der Musik häufig auch Schauspiel, Projektionen oder andere kreative Künste zum Einsatz. Wohlüberlegte Mitmachaktionen helfen dabei, dass die Kleinen ihre Ohren genau im richtigen Moment spitzen.

Anastasia Reiber lässt Kinder bei einem mini.musik-Konzert selbst die Tasten eines Flügels drücken.
Pianistin Anastasia Reiber organisiert regelmäßig Kinderkonzerte. Copyright: Irina Pasdarca
Eine junge Frau zeigt einem Jungen, der bereits die Kopfhörer aufgesetzt hat, das DJ-Pult.
Bei „Der Gasteig brummt!“ konnten sich Kinder als DJ ausprobieren. Copyright: Benedikt Feiten / Gasteig

Zuhören für ein besseres Miteinander
Sich über eine längere Zeitspanne aufs Zuhören zu konzentrieren, bereite vielen Kindern heutzutage Schwierigkeiten, bemerkt Pädagogin Ingrid Hausl bei ihrer Arbeit mit dem Nachwuchs. Musik kann hier helfen, das Hören, Zuhören und aufeinander Hören in unserer doch sehr visuell geprägten und digitalisierten Welt wieder in den Fokus zu rücken und (neu) zu üben. Durch die Musik werden die kommunikativen Fähigkeiten von Kindern wie Erwachsenen gestärkt. Sich einzulassen auf das Bühnen-Geschehen, auf die Klänge und die Musiker*innen ist dabei eine gute Übung, sich fremden Menschen zu öffnen und ihnen unvoreingenommen zu begegnen. Ist das nicht genau der entscheidende Faktor, ob eine Reise in exotische Länder gelingt? Und dafür, dass das tägliche Miteinander zuhause, unterwegs in der Stadt, mit Fremden wie Freund*innen gut klappt?

Tipps für Kids

Singend in die Welt
Für uns alle haben die Profis noch einen Tipp, wie die musikalische Reise-Route losgehen kann: So viel und früh wie möglich singen – mit dem Nachwuchs oder generell mit anderen Menschen, sei es beim Kochen oder unter der Dusche, ganz nach Lust und Laune. Unter Neurowissenschaftler*innen ist mittlerweile bekannt, dass sich das gemeinsame, unbekümmerte Singen positiv auf das Gehirn auswirkt. Und wer einmal erfahren hat, wie viel Spaß das macht, der bekommt automatisch Lust auf mehr. Offene Mitsing-Aktionen gibt es übrigens regelmäßig im Gasteig, z. B. das Rudelsingen oder das offene Sonntagssingen der Münchner Volkshochschule.

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