Zum Hauptinhalt springen

Das Monster in mir: Lisa Frühbeis auf dem Comicfestival München

Zum Münchner Comicfestival zeigt die Münchner Stadtbibliothek im HP8 Werke von Lisa Frühbeis. Mit ihren reduzierten feministischen Bilderzählungen gibt die Münchnerin einer jungen Generation von Comic-Schaffenden eine Stimme.

Porträt Lisa Frühbeis
Comic-Zeichnerin Lisa Frühbeis. Copyright: Frauke Wichmann

Alles beginnt mit einem Traum: „Am Anfang stand eine Szene, die vor sechs Jahren im Halbschlaf zu mir kam“, erzählt Lisa Frühbeis über die Inspiration zu ihrem neuen Comic. „Der Zeitraum: Oder wie ich lernte, das Monster in mir zu lieben“ erscheint zum Münchner Festival im Carlsen Verlag. Ein anamorphes Wesen sei auf dem Balkon eines Turms gestanden und hätte die Arme ausgestreckt, so die Künstlerin.

 

Morgens habe sie immer einen „direkten Draht zu ihrem Unterbewusstsein“ und könne die Bilder zulassen, die zu ihr kommen, sagt Frühbeis. Diese bannte die Wahl-Augsburgerin sogleich auf Papier und eine Kurzgeschichte entstand, die den Grundkonflikt des späteren Comics bereits enthielt. In „Der Zeitraum“ kämpft eine alleinerziehende Mutter darum, den Spagat zwischen Selbstverwirklichung, familiärer Sorgearbeit und finanziellen Engpässen hinzubekommen. Doch als sie plötzlich die Tür in eine betörende Parallelwelt öffnet und immer öfter darin verschwindet, verwandelt sie sich mehr und mehr in ein Monster.

Ausschnitt aus dem Comic "Der Zeitraum".
Die Tür zur betörenden Parallelwelt: Ausschnitt aus dem neuen Comic. Copyright: Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2023
Eine Seite aus dem Comic "Der Zeitraum"
Wie kann man seiner Umwelt und vor allem sich selbst gerecht werden? Copyright: Carlsen Verlag Gmbh Hamburg 2023

Bekannt wurde Frühbeis mit ihren Comic-Kolumnen, die sie für den Berliner Tagesspiegel zeichnete und bei denen sie sich selbst zur Protagonistin machte: Pointiert und kritisch reflektierte sie darin über Gender-Rollen, Menstruationsprobleme oder Beinhaare. Vor allem während der Pandemie hätte sich gezeigt, wie die gesamte Problematik in der alleinerziehenden Frau kulminiere: „Sie ist eine der am wenigsten privilegierten Personen in der Gesellschaft. In meinem Comic bin ich in der schlimmsten Version meiner selbst die Mutter. Ich bin aber auch das Mädchen und der kleine Junge, der nichts checkt“, erzählt Frühbeis.

„Emanzipation ist der Kampf um die Verfügbarkeit der eigenen Zeit. Je weniger Privilegien jemand hat, desto weniger darf er über die Zeit bestimmen.“

Lisa Frühbeis, Comic-Künstlerin

So sei die Idee einer Parallelwelt entstanden, in der die Mutter keinen Zeitdruck spüre und in der Konsequenz alles vergesse. „Der Zeitraum“ ist der erste Comic, den die Künstlerin ausschließlich analog gezeichnet hat. Zwischen März und September 2022 erschuf Frühbeis diszipliniert jeden Tag sechs Bilder. „Der Comic lebt viel von Beschränkungen. Das ist eine Technik, die ich gerne anwende, um mich zu befreien. Die Hälfte des Comics ist in Schwarz-Weiß – die ultimative Beschränkung.“ Nur die Parallelwelt erscheint dann in grellen Neonfarben. Das Schwierige an der Kreativarbeit seien die vielen Entscheidungen, die man treffen müsse, so die Zeichnerin. Mittlerweile kann sie unemotional und pragmatisch überflüssige aus ihrem eigenen Werk streichen.

Mit viel Humor und Scharfsinn karikiert Frühbeis gesellschaftliche Missstände aus einer in der Comic-Landschaft bisher unterrepräsentierten weiblichen Perspektive. Ohne die #metoo-Bewegung und die feministischen Comics der Künstlerin Liv Strömquist hätte sie ihr erstes Buch „Busengewunder” vermutlich nicht veröffentlichen können, meint Frühbeis. Was sie antreibt: „Ich will, dass sich Leute mit Privilegien beschäftigen. Damit, was Macht und Ohnmacht bedeuten und welche Konsequenzen sich daraus für unsere Entscheidungen ergeben, die wir treffen“, so Frühbeis. „Ich möchte diesen Denkraum aus einer feministischen Perspektive heraus öffnen. Im Comic kann ich dafür niederschwellig eine visuelle Metapher finden.“

 

Mehr zu Lisa Frühbeis

Das Comicfestival im HP8

Text: